Halbgeist: Roman
halten. Er lässt nicht zu, dass seine Leute unnötige Risiken eingehen.«
Wieder einmal anerkennende Worte, die durch den Ärger, die sie ihrem Sprecher bereiteten, jeglichen Wert einbüßten. In Gesprächen über Gibb schien es so etwas im Überfluss zu geben. »Können Sie so tief runtergehen wie diese Draufgänger?«
»Dazu habe ich mich nicht verpflichtet«, sagte Godel, die zum ersten Mal seit dem Ableben des Brachiators den Mund aufmachte.
»Ich auch nicht«, sagte Lassiter.
Ich sah die Porrinyards an. »Und Sie?«
»Zur Abwechslung«, sagten sie, und ihre Stimmen waren angefüllt mit erzwungener Fröhlichkeit, »streiten sich in mir zwei Geister über ein Thema.«
Ich kämpfte gegen einen Schwindelanfall an, begleitet von einem mehrstimmigen inneren Chor Unsichtbarer Dämonen, umklammerte die Sitzfläche noch heftiger und sagte: »Gehen Sie um diese tausend Meter tiefer.«
»Es gibt keinen vernünftigen Grund ...«
»Dann bin ich eben unvernünftig«, sagte ich. »Ich erteile gefährliche Anordnungen aus absolut verrückten Gründen. Nichtsdestoweniger sind es Anordnungen. Gehen Sie runter.«
Zornige Oden an Bürokraten vor sich hin grummelnd, die sich einbildeten, sie wüssten, was sie tun, führte Lassiter den Befehl aus. Der Gleiter sank tiefer. Dunststreifen flatterten wie Schmetterlinge an uns vorüber, stiegen auf zu dem Überwuchs, der sich uns nun als unbestimmbare Himmelsfläche präsentierte. Die unsteten Luftströmungen erschütterten unseren Transporter, aber die bordeigene Gravitation verhinderte, dass wir irgendwelche Turbulenzen zu spüren bekamen. Nur die nächste der beiden Sonnen schien zu erbeben, und eine Leuchte in der Instrumententafel blinkte rot auf und versicherte jedem, der sich die Mühe machte, sie im Auge zu behalten, dass Lassiter recht hatte und diese Hexe aus New London in der Tat alle in Gefahr brachte.
»Jetzt sind wir an dem tiefsten Punkt, den je irgendjemand angeflogen hat.«
Meine Kehle war inzwischen völlig ausgetrocknet, und ich musste mich darauf konzentrierten, Spucke anzusammeln, ehe ich auch nur versuchen konnte zu sprechen. »Wie steht es um uns?«
»Die Stabilisatoren leisten Überstunden, um uns in den hiesigen Winden ruhig zu halten. Wir verbrauchen schon im Stillstand viermal so viel Energie wie in der Nähe des Überwuchses. Ich möchte mich hier nicht lange aufhalten, aber wir kommen klar.«
»Können wir noch mehr schaffen?«
Lassiter verzog das Gesicht. »Ich habe erwartet, dass Sie mir diese Frage stellen.«
»Dann sollten Sie auch eine Antwort parat haben. Vor ein paar Minuten haben Sie mir erzählt, es sei denkbar, sogar bis in die Wolken vorzudringen. Sie sagten auch, niemand hätte das je versucht. Ich würde das gern jetzt nachholen. Können wir das schaffen?«
»Ich weiß nicht, inwieweit es unsere Sicherheit beeinträchtigt, wenn wir uns diesen Drachen noch weiter nähern.«
»Sicherheit war nicht gefragt.«
Godel klopfte an die Rückenlehne meines Sitzes. »Und wie Sicherheit gefragt ist.«
Die Porrinyards sprachen mit einer Stimme, die vorwiegend von Skye stammte, aber auch ein wenig vom maskulinen Schneid von Oscin aufwies. »Sind Sie sich Ihrer Sache wirklich sicher, Counselor?«
» Ja .«
»In Ordnung«, sagten sie, aber sie hörten sich keineswegs glücklich an.
Auch Lassiter war alles andere als zufrieden. »Ich werde uns nicht alle umbringen, Counselor. Ich gehe tiefer, wenn Sie das wirklich für so wichtig halten, aber ich werde auch alle hundert Meter oder so anhalten, um mir einen Überblick über die Umgebungsbedingungen zu verschaffen und unseren eigenen ...«
»Nein«, sagte ich.
Sie brach mitten im Satz ab. Dann: »Was soll das heißen, nein?«
»Das soll heißen, dass ich etwas ausprobieren möchte, und das kann ich nicht, wenn Sie darauf bestehen, in Kleinmädchenschritten voranzugehen. Für meine Zwecke ist es wichtig, dass Sie, ohne sich um die Umgebungsbedingungen oder ein mögliches Versagen des Gleiters zu kümmern, absteigen, bis ich Ihnen sage, dass es genug ist.«
Lassiters Augen waren sehr groß und sehr rund geworden. »Dann sollten Sie zu den anderen zurückgehen und sich nach ein paar Freiwilligen umsehen.«
»Ich will keine Freiwilligen. Ich will die Mannschaft, die ich jetzt habe.«
»Tja, Counselor, tut mir leid, aber Sie haben keine Mannschaft.«
»Widersetzen Sie sich einem direkten Befehl?«
»Wenn Sie mir sagen, ich soll mein Leben für nichts geben, dann widersetze ich mich nicht
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