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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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schien noch wichtig zu sein: nichts, was ich gesehen, nichts, was ich getan hatte, nichts von dem, was die Leute über mich gedacht hatten und immer über mich denken würden, nicht die Unsichtbaren Dämonen und die Bedeutung, die sie für mich gewonnen hatten. All das blieb ein Teil des gebrochenen, aber scharfkantigen Etwas, das aus mir geworden war - und für einen Moment war es ohne jede Bedeutung, denn es war nur ein Störgeräusch. Nichts davon hatte irgendetwas mit der Erkenntnis zu tun, überraschend, skurril und doch beglückend, die mich befiel, als ich meine innere Lähmung überwand: Großer Juje, sie haben recht, sie sind nur eine Person.
    Einige Atemzüge lang ging ich auf sie ein. Ich zog Oscin an mich, nicht, weil ich ihn bevorzugt hätte, sondern weil er leichter erreichbar war. Skye küsste leise murmelnd meinen Nacken. Eine Hand, die jedem von ihnen gehören konnte und die, wie ich mich nun ermahnte, doch beiden gehörte, trippelte über meinen Rücken, so sacht, dass es schien, als hätte ich es mir nur eingebildet oder gar einfach ersehnt.
    Aber dann geschah etwas.
    Es gibt eine ganz bestimmte Form der Beunruhigung, die jeder irgendwann in seinem Leben mindestens einmal erfährt. Es passiert, wenn man im Bett liegt, kurz davor einzuschlafen, die Augen geschlossen, die Gedanken vernebelt, das Bewusstsein und all der Müll, den es mit sich herumschleppt, im Begriff in willkommener Finsternis zu versinken.
    Manchmal, kurz bevor man sich dem Schlaf hingeben kann, erlebt man ein plötzliches, erschreckendes Gefühl, beinahe, als befände man sich im freien Fall, und man reißt sich selbst aus dem Schlaf und verliert dabei all das vorangegangene Wohlgefühl.
    Ich war nicht dem Schlaf nahe, aber ich war dabei, die Kontrolle zu verlieren, und zwar auf eine Art, die ich mir seit Jahren nicht zugestanden hatte, und so empfand ich die gleiche Art des Schreckens. Ich versteifte mich, setzte mich auf, krabbelte davon, und eine frische Anspannung breitete sich über meinen Nacken aus. Die Porrinyards machten keinerlei Anstalten, mir zu folgen, blieben im Gegenteil dort, wo sie waren, und sahen zu, wie ich mich zu einer Kugel zusammenrollte und mich selbst mit beiden Armen umfing.
    »Es liegt nicht an dir«, sagte ich. Das war ein Satz, den ich schon früher ausgesprochen hatte, nach anderen fehlgeschlagenen Experimenten mit Intimität. Und da war ich mir ebenso dumm und unzulänglich vorgekommen wie jetzt.
    »Schon gut«, sagten die Porrinyards. »Ich nehme das nicht persönlich. Wir haben Zeit.«
    Ich hielt mein Gesicht abgewandt. »Nein. Nein, tut mir leid, aber die haben wir nicht.« Ich faltete mich auseinander, zog meinen Kragen zurück und wischte mir mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen. Dann erhob ich mich und nahm mir einen Moment Zeit, um die glatten, lumineszierenden Wände der Kammer zu betrachten.
    Der Raum fühlte sich nicht mehr so leer an wie noch vor Kurzem. Aber nichts von dem, was ihn nun belegte, stellte in irgendeiner Weise eine Verbesserung dar. Die Dinge, die jetzt in ihm hausten, waren erzürnt.
    Ich drehte mich zu den Porrinyards um und stieß auf zwei identische wunde Mienen.
    »Willst du damit sagen, wir haben jetzt keine Zeit«, fragten sie, »oder wir werden nie Zeit haben?«
    »Bitte versteh mich. Ich kann mich nicht auf ... irgendetwas ... einlassen, ehe meine Aufgabe hier erledigt ist.« Müde, physisch und emotional so müde, wie ich es nicht einmal zum Zeitpunkt meiner Ankunft gewesen war, kämpfte ich gegen eine neuerliche Manifestation jenes unbestimmten Gefühls, irgendetwas unterlassen zu haben, und murmelte: »Das Problem ist, dass das nicht nur ein Fall ist, sondern viele. Mindestens zwei. Vielleicht drei oder vier. Die alle nichts miteinander zu tun haben, die sich alle am selben Ort zur selben Zeit abgespielt haben. Die irrelevanten Informationen haben ein solches Durcheinander ergeben, dass ich nicht einmal mehr weiß, wo oben ist.«
    Die Porrinyards grinsten. »Nicht zu wissen, wo oben und wo unten ist, gehört auf dieser Station zu den häufigsten Klagen.«
    Gegen meinen Willen erwiderte ich ihr Grinsen. »Na ja, schon.«
    »Und was willst du jetzt tun?«
    Ich nahm Oscin meine Tasche ab und schlang sie mir über die Schulter. »Ich fange an, ein paar Knoten aufzutrennen.«

19
    KNOTEN
    Wir kehrten zu dem Gleiter zurück, in dem Godel und Lassiter schweigend vor sich hin grollten. Von dort aus flogen wir zum Hangar, wo ich den Rest des Tages auf dem Schiff

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