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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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die Nase so schmal wie im Original, und darüber hinaus wiesen die Züge jene vertraute, verfluchte, unerwünschte Kombination einzelner Elemente auf, die in ungewollter Schönheit mündeten.
    Das Bild war veraltet und stellte mich mit gleichmäßig kurzem Haar dar, wogegen ich inzwischen meinem Sinn für Asymmetrie folgte, indem ich eine dünne Strähne bis zur rechten Schulter hatte wachsen lassen. Trotzdem war ich gut zu erkennen, und das Bild wäre jederzeit dazu geeignet gewesen, an die Medien weitergeleitet zu werden, sollte ich sterben, vermisst werden oder so sehr in Ungnade fallen, dass man mich ungestraft verschwinden lassen konnte.
    Es sah mir in die Augen und sagte: »Hallo.«
    Nur das: Hallo.
    Und dann explodierte es von innen heraus.
    Es warf den Kopf zurück, riss den Mund weit auf und stand zuckend vor mir, während ein Zittern über seine Wangen lief. Der Mund klaffte weiter auf, als es die menschliche Anatomie zugelassen hätte, dann noch weiter und noch weiter. Bald lag das Kinn fast flach am Hals, Haut und Fleisch in der Umgebung waren papierdünn gespannt, rissen schließlich auf, und in der grellroten Wunde kamen die Zähne zum Vorschein, die sich bald rosa färbten, als sich plötzlich ein Blutsturz aus der Kehle löste. Dann stieß ein Geysir aus diesem unfassbar großen Mund hervor, als hätte jemand tief im Inneren Kanonen abgefeuert; er förderte nicht nur Blut und Galle zutage, sondern schwarze, gleißende, organische Schrapnelle, verzweifelt auf der Flucht vor dem, was im Inneren geschah. Da war mehr Flüssigkeit, als mein Körper enthalten konnte. Dann geschah etwas Unaussprechliches mit dem Brustkorb. Rippen splitterten; gebogen wie weiße Dolche, bohrten sie sich Skalpellen gleich aus dem Fleisch hervor.
    Ich bin ein Experte für Hassbotschaften. Meine Vergangenheit hatte mir eine ausgedehnte persönliche Sammlung Todesdrohungen von Repräsentanten der verschiedensten Spezies eingetragen. Die meisten waren gallegefärbte Stimmnachrichten, die ich per Hytex erhalten hatte. Ein paar waren auf echtem Papier niedergeschrieben. Manche waren einfallsreich und plastisch und viele animiert. Unter den animierten Nachrichten hatte ich Bilder gesehen, in denen meine Folterung simuliert wurde, meine Strangulation, meine Vergewaltigung und meine willige, begeisterte Teilnahme an sexuellen Handlungen, die so verdorben waren, dass ich selbst nach ausufernden Nachforschungen nicht mehr als ein Dutzend Welten hatte auftreiben können, in denen derartige Perversionen zumindest in der Theorie bekannt waren.
    Der größte Teil von dem Zeug ist einfach lächerlich. Manchmal amüsiert es mich sogar, wie wenig meine Brieffreunde von der weiblichen Anatomie verstehen.
    Die unbekannten Parteien, die für das umgestülpte Bild meiner selbst verantwortlich zeichneten, hatten eine hochmoderne Simulation programmiert, die zwar in einigen Details nicht ganz auf dem neuesten Stand war, die aber doch in jeder anderen Hinsicht zu überzeugen wusste.
    Sie fühlte sich real an.
    Sie fühlte sich aufrichtig an.
    Sie fühlte sich wie ein Versprechen an.
    Das war die Art von Drohung, die nur ein wahrhaftes Monster verschicken konnte.
    Ich hätte mich zu Tode fürchten müssen.
    Aber ich war auch ein Monster. Und als ich über den unbekannten Absender nachdachte, tippte ich mit dem Fingernagel an meine Zähne und murmelte ein stilles Versprechen.
    Du bist zuerst dran.

3
    OPFER
    Zuerst erzählten sie mir alles über Christina Santiago.
    Lastogne ratterte die Fakten in einem despektierlichen, leiernden Ton herunter, dem es nicht gelang, auch nur eine Spur des Mitgefühls zu offenbaren. Santiago, sagte er, war in ihrem zweiten Jahr im diplomatischen Dienst gewesen und hatte ihre Ausbildung gerade erst abgeschlossen. Spezialgebiet: Exopsychologie. Ein Produkt irgendeiner industriellen Hölle am Arsch des Hom.Sap-Raums.
    Die Feudalwirtschaft, die die dunkleren Ecken der Konföderation am Leben erhielt, hatte ihre Leute besonders schonungslos im Griff. Die Kolonisten, die sich vor siebzehn Generationen dort niedergelassen hatten, hatten ihr Leben und das ihrer Nachfahren so umfassend verpfändet, dass die Bevölkerung de facto aus Schuldensklaven des Geldgebers, der Bettelhine Corporation, bestand. Es gab nur eine bedeutende Industrie auf dieser Welt, in der Komponenten für Quantendämpfer für die Raumfahrt hergestellt wurden. Vielleicht ein Drittel der Bevölkerung war mit der Bereitstellung von Nahrung und Unterkünften und

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