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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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standen parallel zu mir zwei Gestalten, Oscin und Skye, die beide wie horizontale Ausbuchtungen aus einer glatten, vertikalen Oberfläche herauszuragen schienen.
    Nicht einmal eine Armlänge trennte mich von Oscins ausgestreckter Hand. Das aber reichte, mich aus der bordeigenen Gravitation des Gleiters auszuschließen. Der Gleiter, der nicht für hohe Geschwindigkeiten erbaut worden war, hatte es teuflisch schwer, mit mir Schritt zu halten. Nur durch meine Körperhaltung, die dem Wind den größtmöglichen Widerstand entgegenbrachte, wurde meine Fallgeschwindigkeit so weit gebremst, dass wenigstens diese kurze Annäherung möglich war.
    Ich wollte gar nicht wissen, wie raffiniert sie manövrieren mussten, um mir so nahe zu kommen.
    Sie brüllten mir etwas entgegen, doch der Wind trug ihre Worte davon.
    Ich wackelte mit dem Arm. Das hatte furchtbare Auswirkungen auf meine Aerodynamik, und ich drehte ab, entfernte mich von dem Gleiter. Einen schauerlichen Augenblick lang geriet ich in einen Zustand der Überkompensation, und schon fand ich mich in einem vertikalen Steilflug wieder, mit dem ich den Gleiter weit hinter mir ließ. Dann legte ich mich wieder flach in den Wind, wurde langsamer, fühlte eine übelkeiterregende Schockwelle im Bereich meiner Beine, als der Gleiter mir beinahe in den Rücken geprallt wäre, merkte dann, wie der vertraute Umriss wieder neben mir den Himmel verschluckte, dieses Mal auf der rechten Seite.
    Als ich mich nun umsah, saß Skye auf Oscins Schultern und streckte sich mir mit aller Macht entgegen. Ihre Miene sah verzweifelt aus, ihr Kinn war blutverschmiert. Ihre Hände ragten nur wenig aus dem ionischen Schild heraus und versuchten, nach mir zu greifen. Beinahe hätte ich meine Haltung ein zweites Mal auf die falsche Weise korrigiert. Gerade noch rechtzeitig erinnerte ich mich daran, dass die gleiche Vorgehensweise vor gerade mal ein paar Sekunden einen Sturzflug meinerseits herbeigeführt hatte, und so gelang es mir doch noch, mich den beiden vertrauten Gesichtern anzunähern, allerdings in einer Geschwindigkeit, die mich spontan an einen Frontalzusammenstoß mit einer Ziegelmauer denken ließ.
    Zu spät wurde mir bewusst, dass ich nicht die einzige Person in Gefahr war. Nur eine Fehlkalkulation, und das Gewicht meines Körpers würde beide aus dem lokalen Gravitationsfeld des Gleiters herausreißen. Diese Verantwortung konnte ich nicht auf mich nehmen. Und ich wollte es auch nicht. Hätte ich noch eine Sekunde Zeit gehabt, darüber nachzudenken, ich hätte abgedreht und wäre meinem Tod entgegengestürzt, statt zuzulassen, dass diese beiden sich für mich opferten.
    Ein Windstoß blendete mich in dem Moment, in dem Skyes Hände mein Handgelenk umschlossen.
    Sind Sie je aus einer lokalen Gravitationszone in eine andere gezerrt worden, ohne Vorwarnung oder einen halbwegs angemessenen Übergang? Alles verändert sich in weniger Zeit, als Ihre Neuronen zum Feuern benötigen. In diesem Fall war der Gleiter neben mir plötzlich und ohne jede Diskussion der Gleiter unter mir. Ich krachte gegen die Sitze, überschlug mich, rollte beinahe seitlich über Bord, als die Bordgravitation ausfiel, während die Wolkenlandschaft plötzlich wieder unter mir war.
    Sowohl Oscin als auch Skye klammerten sich mit der jeweils freien Hand am nächsten verfügbaren Halt fest, während die beiden anderen Hände mich festhielten. Ich brauche eine Sekunde, bis mir aufging, was sie getan hatten: Sie hatten die bordeigene Gravitation in dem Moment deaktiviert, indem ich hereingezogen wurde, um zu verhindern, dass ich mir den Hals brach und jedes meiner Organe zerrissen wurde, weil ich einer so plötzlichen und unerwarteten lotrechten Erschütterung ausgesetzt wurde.
    Meine Beine ruderten hinter mir. Ich schrie. Ich zog mich näher an die Porrinyards heran und schlang, sobald ich konnte, beide Arme um eine der Sitzlehnen, schon wieder fest überzeugt, ich müsse sterben.
    An die nächsten dreißig Sekunden erinnere ich mich nicht mehr.
    Dann setzte die Schwerkraft wieder ein. Meine Knie klebten an Deck, mein Kopf schlug leicht gegen die Rücklehne des Sitzes, doch das war kaum mehr als ein schmerzhaft dumpfer Aufschlag. Dann fühlte ich, wie mein leerer Magen in Wallung geriet, offenkundig auf der Suche nach irgendetwas, das er zurückschicken konnte.
    Mit stumpfer Verblüffung stellte ich fest, dass wir angehalten hatten.
    Die Porrinyards brachten nichts zustande, was ihrer üblichen Grazie auch nur ansatzweise

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