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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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klar.
    Aber auch eine gottverdammt komische Art.
    Je mehr von dem Mist auf meine Wangen klatschte, in meine Augen rann, meine Hände glitschig machte und mich immer weiter am Seil herabgleiten ließ, desto tiefer sank ich in eine Form von Ausgelassenheit, wie ich sie seit der guten Zeit auf Bocai nicht mehr genießen durfte. Sie brach einfach aus mir hervor, entlud sich in gewaltigen Lachanfällen, die meinen Bauch erbeben ließen und mein Entsetzen zwar nicht bannten, aber immerhin als untergeordnete Normalität klassifizierten.
    Verdammt auch, mag sein, dass ich leben wollte, aber wenn ich schon sterben musste, dann konnte ich mir keine dusseligere oder passendere Art vorstellen.
    Wieder donnerte es, sehr laut und sehr nahe, abgelöst von einer erschrockenen Frage seitens Lastogne: »Counselor? Weinen Sie?«
    »Teufel, nein. Ich lache mich tot!«
    Pause. Dann: »Wollen Sie das Vergnügen vielleicht mit mir teilen?«
    »Sie müssten einfach dabei sein, Peyrin. Aber - huch - wenn Sie mich retten, werde ich es Ihnen mit Vergnügen erklären.«
    Meine Hände hielten nicht mehr stand. Ich stürzte wieder bis zum Ende der Sicherheitsleine, kreiselte wie wild am tiefsten Punkt, erduldete eine weitere Demütigung, als der nächste Schuss Mannasaft auf meinen Kopf und meine Schultern klatschte, keuchte unter der neuerlichen Erkenntnis dessen, wie nahe ich dem Tod war, und erkannte vage einen Drachen, der mit einem zornigen Schlag seiner gigantischen Schwingen aus den Wolken unter mir hervorbrach. Ein letztes großartiges Schauspiel vor dem Ende.
    »Counselor!«, brüllte Lastogne. »Hören Sie mich?«
    Ich rang nach Luft. »Nicht mehr lange, Peyrin. Ich glaube, wir haben die letzten Sekunden erreicht. Haben Sie diesen Zählappell durchgeführt?«
    »Hätte mich beinahe verzählt«, gestand er. »Hab beim ersten Durchgang Li-Tsan vergessen. Sie ist immer noch im Transporter eingeschlossen.«
    »Und als Sie sie mitgezählt haben?«
    Er sagte etwas, das ich nicht verstand, weil ich zu sehr damit beschäftigt war zu schreien.
    Denn als der Drache seinen Aufstieg beendete und allmählich wieder in die Wolken zurücksegelte, löste sich ein anderes Objekt aus dem Dunst: etwas, das ihn als Deckung benutzt hatte, etwas, das nun so schnell es nur konnte auf meine Höhe stieg. Etwas, das zunächst nur als greller Lichtblitz erkennbar war.
    Es sah nicht aus wie ein mannsgroßes Objekt in Angriffsmontur.
    Es sah aus wie ein Gleiter.
    »O Gott«, sagte ich. Lass es wahr sein ...
    Lastogne brüllte erneut: »COUNSELOR!«
    Die Flugbahn des Objekts war sprunghaft und unstet, folgte nicht annähernd einer geraden Linie, sondern pendelte so prekär mal hierhin, mal dorthin, dass es schien, als habe sich der Schwerpunkt verlagert, als müsse es darum kämpfen, in der Luft zu bleiben.
    Komm schon, komm schon, komm schon ...
    »COUNSELOR!«
    Ich sackte einen Meter weiter hinab. Die Ranken, die mein Seil hielten, gaben allmählich nach. Mir blieben noch ein paar Herzschläge, vielleicht weniger, ehe sie endgültig brechen würden; nicht genug Zeit für die Porrinyards, um auf diese Höhe zu gelangen.
    Wen interessiert's? Solange sie nur überleben! Sie können ...
    Weit unter mir erblühte eine leuchtende, glutrote Rose; eine Luftexplosion irgendeiner Art, aber zu weit entfernt, um sie jetzt schon zu hören. Sie war so hell, dass ich das Objekt in ihrem Zentrum aus den Augen verlor. Etwa eine halbe Minute später erreichte mich das dazugehörige Geräusch: kein ohrenbetäubender Donner mehr, nur ein fernes Rumpeln, zu unaufdringlich, den Tod zweier Menschen zu verkünden, die ich nicht tot sehen wollte.
    Es dauerte eine Weile, bis mir klar wurde, dass meine Augen zum Schutz vor dem nun sintflutartig niedergehenden Regen aus Mannasaft geschlossen waren und Lastogne mich anbrüllte: »COUNSELOR! GOTTVERDAMMTNOCHMAL, COUNSELOR! ICH KANN SIE ATMEN HÖREN!«
    Drei-, viermal versagte meine Stimme, ehe es mir gelang, ein Wort hervorzubringen. »Peyrin ...?«
    »Ich bin hier, Andrea.«
    Ich hatte nicht mehr genug Leben in mir, um dagegen zu protestieren, dass er mich mit meinem Vornamen anredete. »... wie war das noch mal mit der Zählung ...?«
    Er sprach hastig: »Ich hatte recht ...«
    Meine Sicherheitsleine gab nach.
    Da die Wolkendecke viele Kilometer unter mir lag, erhielt ich nur wenige kostbare visuelle Hinweise darauf, nun doch von einem Moment auf den anderen einem unentrinnbaren Tod ausgeliefert worden zu sein. Mein Rückgrat war es, das den

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