Halbgeist: Roman
zuvor.«
»Trotzdem stellen Sie sich hinter Gibb.«
Lastognes Grimasse wandelte sich zu einem süffisanten Grinsen. »Mag sein, dass ich den Mann nicht mag und glaube, er hat den Kopf so tief in seinen eigenen Arsch gesteckt, dass er vermutlich nie wieder frische Luft atmen wird, aber er ist hier der Boss, und ich habe seine Entscheidungen mitzutragen, ganz gleich, was ich persönlich davon halte.«
Ich konnte Lastogne dieses Selbstporträt eines Mannes, der unerschütterlich zu seinem Boss stand, nicht abkaufen. »Sie haben mir das Gefühl vermittelt, dass Sie diese Leute hassen.«
»Hassen ist ein großes Wort«, sagte Lastogne. »Sie tun mir nicht leid. Ich finde nicht, dass sie besonderes Mitgefühl verdienen, und ich glaube auch nicht, dass es ihnen zusteht, da in ihrer kleinen Nichtstuerwelt herumzuhocken und sich verfolgt zu fühlen, nur weil sie versagt haben.«
Ich nickte, um ihm zu vermitteln, dass ich seine Worte fraglos akzeptierte. »Womit wir bei Punkt zwei wären: die sonderbare Dynamik zwischen ihnen. Sowohl Li-Tsan als auch D'Onofrio haben sich Fish gegenüber beschützerisch verhalten, obwohl beide auf sie herabzusehen scheinen.«
Er schien erstaunt zu sein, dass ich überhaupt einen Grund sah, mich danach zu erkundigen. »Tja, sie steht eben an letzter Stelle im Rudel. Die scheißen Tag und Nacht auf sie, reißen aber jedem anderen, der das Gleiche bei ihr versucht, die Kehle raus.«
»Sie sieht krank aus.«
Nun setzte er ein erkennbares Lächeln auf. »Sie sieht aus wie Scheiße, finden Sie nicht? Ich glaube, sie bringt den ganzen Tag damit zu, sich mit Rauschpflastern und Mannawein selbst krank zu machen. Es gibt keinen Anlass, sie wegen Missbrauchs zu belangen, da sie so oder so nichts zu tun hat und, solange sie im Hangar ist, nicht tiefer stürzen kann als bis auf den Boden, über den sie geht. Aber je schlimmer es wird, desto weniger wird Gibb natürlich die Vorstellung gefallen, sie an irgendeinen anderen Ort versetzen zu lassen.«
Grandios. Erst lässt man die Frau im Stich, und dann tut man einfach nichts, wenn sie sich selbst zerstört. »Woher bekommt sie den Mannasaft, wenn der einzige Ort, an dem es das Zeug gibt, das Habitat selbst ist?«
»Gibb hat kein Problem damit, wenn unsere Leute das fermentierte Zeug trinken, solange sie es außerhalb des Habitats tun und sich entgiften, ehe sie wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Sie wird es also von den Dienstverpflichteten bekommen, die sich im Hangar eine Auszeit nehmen. Da drüben finden bisweilen furchtbar wilde Partys statt.«
»Man hat mir erzählt, Cynthia wäre oft drüben gewesen.«
»Jeder ist oft da drüben. Sogar Santiago war dort. Das ist der einzige erreichbare Ort, wenn man sich eine Weile vom Habitat erholen will.«
»Aber Cynthia Warmuth soll besonders häufig aufgetaucht sein.«
»Vielleicht ein bisschen öfter als der Durchschnitt. Sie hat immer wieder erzählt, wie sehr ihr die Leute leidtäten.«
Was bestätigte, was die Exilanten über die eigennützige Art ihrer Zuwendung ausgesagt hatten. »Haben Sie gewusst, dass sie mit D'Onofrio geschlafen hat?«
Damit hatte er nicht gerechnet. Seine Kiefermuskulatur mahlte, während er vier oder fünf verschiedene Entgegnungen erwog und schließlich alle verwarf. »Nein. Aber das wundert mich nicht. Es ist genau die Art von Unsinn, die man von dieser dämlichen Fotze erwarten konnte.«
»Empathiesüchtig, richtig?«
»Aber wie«, stimmte er mit einem unnötigen Maß an Zorn in der Stimme zu.
Bei der Untersuchung von Verbrechen innerhalb diplomatischer Kreise komme ich häufig an einen Punkt, an dem ich anfange, in meiner Verdächtigensammlung eine Rotte tollwütiger Tiere zu sehen, die sich ständig gegenseitig die Klauen zeigen und einander aus dem Hinterhalt angreifen, immer darum bemüht, dem anderen Narben beizubringen. Hier war es besonders problematisch, weil die beinahe universelle Abneigung gegenüber beiden Opfern langsam an meinen Nerven zerrte.
Nur, dass sie gar nicht universell war, nicht wahr? Gibb und Lastogne hatten beide behauptet, sie hätten Warmuth gemocht. Gibb hatte sogar mit ihr geschlafen. Vielleicht hatte man mir ganz einfach ein schiefes Bild vermittelt.
Ich blickte zu dem wirren Durcheinander des Überwuchses hinauf, der nur wenige Meter über meinem Kopf hing. »Punkt drei. Christina Santiago. Versetzen Sie sich in ihre Lage: Was würden Sie tun, wenn Ihre Hängematte zusammenbräche?«
Er lächelte. »Hätte ich das Glück,
Weitere Kostenlose Bücher