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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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ehe ich den Überblick verlor), mit Li-Tsan (beinahe genauso viele, aber über einen längeren Zeitabschnitt verteilt), mit Gibb (»Raten Sie mal, mit wem es der Boss treibt!«), Lastogne (»Mit wem treibt der es nicht?«) und den Porrinyards (in diesem Fall waren einige Gerüchte unwahrscheinlich, neidgeprägt oder lüstern). Die kostbar wenigen Gerüchte, die mir über Christina Santiago zu Ohren kamen, hatten alle mit ihrer vorgeblich garstigen Haltung und einer scheinbar recht langen Liebschaft mit diesem Cif Negelein zu tun, von dem ich schon so viel gehört hatte. (»Sie werden ihn erkennen, wenn Sie ihn sehen«, sagte eine der Mitarbeiterinnen und verdrehte theatralisch die Augen.)
    Nur wenige Befragte hoben sich von der Menge ab.
    Oskar Levine war ein junger Mann mit traurigen Augen, einem schmalen Gesicht und eingefallenen Wangen, der die Insignien der Riirgaaner Republik trug. Er hatte weder über Warmuth noch über Santiago viel zu erzählen, aber sein eigener rechtlicher Status war derart wirr, dass meiner dagegen völlig simpel aussah. Kaum war er als Dienstverpflichteter zu unserem Dip Corps gestoßen, hatte man ihn wegen seiner Handlungsweise bei einem ernsten diplomatischen Vorfall, über den ich mich, wie er sagte, selbst informieren konnte, zum Sündenbock gemacht. Er wäre verurteilt und inhaftiert worden, wäre er der Strafverfolgung nicht zuvorgekommen, indem er zu den Riirgaanern übergelaufen war.
    Nun saß er weit oben auf der kommunalen Hängematte, und seine Finger führten saltoschlagend ein Ballett nervöser Überbetonung auf.
    »Ich sehe aus wie ein Mensch. Ich fühle wie ein Mensch. Ich rieche sogar wie ein Mensch, an manchen Tagen mehr als an anderen. Jede medizinische Untersuchung würde bestätigen, dass ich menschlich bin. Aber rechtlich bin ich nichtmenschlich. Keine Regierung innerhalb der Konföderation ist berechtigt, mir den Status eines Menschen einzuräumen. Meine diplomatische Immunität als Riirgaaner schützt mich vor wirklich gefährlichen Konsequenzen, aber einige unerfreuliche Folgen habe ich so oder so zu spüren bekommen.«
    »Inwiefern?«
    Er rieb sich den Augenwinkel. »Tja, in manchen Welten gelten für nichtmenschliche Personen zum Beispiel ausgesprochen strenge Beschränkungen im Hinblick auf Wohnsitznahme. Und vor ein paar Jahren bin ich auf einer Welt in Schwierigkeiten geraten, in der ich dem örtlichen Riirgaaner Botschafter als Kontaktperson für die einheimischen Menschen gedient habe. Als die Leute von meiner Beziehung zu einem einheimischen Mädchen erfuhren, haben sie mich der Vergewaltigung und sie der Sodomie beschuldigt. Ich wurde ausgewiesen, dem Mädchen wurde eine Geldstrafe auferlegt, es musste sich öffentlich entschuldigen und ihm wurde untersagt, je wieder Kontakt zu mir aufzunehmen.«
    Levine erzählte mir dies alles ohne spürbares Selbstmitleid. Stattdessen schien ihn diese armselige Ruhmesgeschichte mit einem ganz besonderen Stolz zu erfüllen.
    »Sie müssen einsam gewesen sein«, sagte ich.
    »Nicht so sehr, wie Sie denken, Counselor. Ich bin sogar mit einer Frau verheiratet, die zu den Riirgaanern übergelaufen ist, um diese Ehe rechtlich möglich zu machen. Es gibt eine Gemeinde von ungefähr vierzig Leuten in der gleichen Situation auf einer ihrer Welten; die meisten sind politische Flüchtlinge der einen oder anderen Art, alle so menschlich, wie ich es mir nur wünschen kann. Nur nach den Gesetzen der Konföderation werden wir nicht als Menschen anerkannt.«
    »Wo ist Ihre Frau jetzt?«
    Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel. »Zu Hause. Ich werde sie wiedersehen, wenn mein Turnus in ein paar Monaten endet.«
    »Vermissen Sie sie?«
    Sein Lächeln ließ sein Gesicht erröten. »Natürlich.«
    »Wenn ich das fragen darf: Warum sind Sie dann hier?«
    Nun lachte er, und in diesem Lachen teilte sich nicht das geringste Selbstbewusstsein mit. »Ergibt keinen Sinn, nicht wahr? Immerhin hasse ich das Dip Corps, und das Dip Corps hasst mich. Wir sollten überhaupt nichts miteinander zu tun haben.«
    Was in meinem Fall auch nicht funktioniert hatte. Das Dip Corps und ich hassten einander ebenfalls, aber wir waren so vollständig verbunden, dass ich dieses Joch bis ans Ende meines Lebens würde tragen müssen. Doch ich sagte nur: »Und?«
    »Die Wahrheit lautet, dass ich hier als eine Art lebendiges Hintertürchen fungiere. Die KIquellen, die One One One betreiben, haben lediglich zugestimmt, einer kleinen Gruppe Beobachter Zutritt zu

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