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Halbmast

Halbmast

Titel: Halbmast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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umgerührt.
    Heute Nacht hatte sie von Leif geträumt. Nichts Besonderes, nichts wirklich Angsteinflößendes, im Grunde hatte er sie die ganze Zeit mit seinen Weisheiten zugetextet, so wie er es in der Wirklichkeit auch tat. Doch es hatte sie nicht richtig schlafen lassen.
    Gleich würde es losgehen. Noch einmal drehte Carolin sich um, schob den Zipfel der Bettdecke in den Nacken und schloss die Augen.
    Noch stand die
Poseidonna
still. Carolin merkte nicht, dass ihre Gedanken wieder ins Unbewusste abglitten. Wieder stand Leif vor ihr und redete, redete, redete. Sie drehte sich erneut, doch Leif war immer noch da. Er hörte nicht auf.
    Erst als die Motoren ansprangen, verstummte Leif. Carolin schoss in die Höhe, sie musste wieder eingeschlafen sein. Die Armbanduhr zeigte, dass sie eine halbe Stunde weg gewesen war. Sie stand fluchend auf. Im Marmorbad ein wenig Wasser ins Gesicht, die Klamotten vom Vortag, so musste es gehen, denn sonst würde das Ablegemanöver ohne sie geschehen, und gerade das Auslaufen aus dem heimatlichen Dock sollte neben der Ankunft in Eemshaven auf der kurzen Reise einer der Höhepunkte sein.
    Fünf Minuten brauchte sie, eine gute Zeit, zumal der Blick in den Spiegel verriet, dass man ihr weder den miserablen Schlaf noch die hektische Katzenwäsche ansah. Als sie die Vorhänge aufzog, stand bereits die Morgendämmerung über den riesigen Kränen der Werft. Carolin trat in den Flur, vielleicht strahlte sie nicht wie der junge Morgen, doch wie die tiefste Nacht sah sie auch nicht mehr aus. Carolin war gespannt, wie Leif ihr heute früh begegnen würde. Er musste verkatert sein und richtig schlecht aussehen, wenn man danach ging, in welchem Zustand er vor weniger als sechs Stunden in seine Kabine gekrochen war. Aber wahrscheinlich war Leif einer der Menschen, die trotz Eskapaden am Abend schon am frühen Morgen aufstanden, joggen gingen und anschließend kalt duschten. Trotzdem klopfte sie vorsichtshalber an seiner Kabinentür.
    «Kollege? Alles fit?» Sie lauschte.
    «Bin gleich da, fünf Minuten. Ich war schon joggen und muss noch eben kalt duschen.»
    Na also, dachte sie. Ich werde nie wieder versuchen, ihn zu wecken, er wird mir immer tausend Schritte voraus sein. «Ich gehe schon mal nach oben. Treffen wir uns auf der Brücke?»
    «Ja, bis gleich. Und erinnere mich daran, ich muss dir unbedingt etwas erzählen, und wir haben um halb neun   …»
    «…   einen wichtigen Termin, ich weiß.»
    «Gut!» Richtig munter klang er definitiv nicht, na also, auch ihm steckte die kurze Nacht in den Knochen.
    Carolin überprüfte, ob sie in der Eile alles eingesteckt hatte. Drei Filme, die Objektive, für alle Fälle den Blitz, die geliebte Nikon. Das Handy hatte Leif.
    «Denkst du an mein Telefon?»
    «Ich denke immer an dein Telefon, Tag und Nacht!» Er schien gut gelaunt zu sein.
    Dann ging sie los. Links und nach acht Türen rechts, Glastür, rechts, rechts. Als sie an der Treppe angelangt war, begannen die Motoren etwas geräuschvoller zu werden, nicht wirklich laut, man merkte nur, dass etwas anders war, mehr Tiefen, mehr Vibration.
    Via Lautsprecher meldete sich, angekündigt durch einen künstlichen Glockenschlag, Schmidt-Katter zu Wort: «Guten Morgen, liebe Passagiere, liebe Crew. Ich hoffe, Sie haben alle gut geschlafen. In einer Viertelstunde ist es so weit, die
Poseidonna
wird auf ihre erste Fahrt gehen. Wir wünschen uns an dieser Stelle Mast- und Schotbruch und alle Zeit eine Handbreit Wasser unter dem Kiel!»
    In diesem Moment fand Carolin es schade, dass man mit der Kamera nicht auch den Ton einfangen konnte. Sie hatte ein so festliches Gefühl, dass sie weiche Knie bekam. Es war nicht Carolins Art, sich an Zeremonien zu ergötzen. Doch diese Durchsage des Werftleiters berührte sie, weil sie deutlich machte, dass er und all die anderen eine Liebe zu diesem Schiff entwickelt hatten. Und ein wenig konnte sie diese Liebe nachempfinden. Es war ein schönes Gefühl.

Marten
    Der Personalgang war eng und lang. Marten schob sich dicht an der Wand entlang, immer auf der Hut, falls ihm jemand entgegenkam.
    Bislang hatte ihn nur diese junge Frau gesehen. Sie war gestern spätabends die große Treppe herabgekommen, hatte sich verunsichert umgeschaut, und da hatte sie ihn im Schatten stehen sehen. Marten wusste nicht, wer sich mehr erschreckt hatte, die Frau oder er. Er kannte die Person nicht, sie hatte ein schwarzes Kleid getragen, ansonsten war sie eher ein burschikoser Typ gewesen, fast

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