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Halbmast

Halbmast

Titel: Halbmast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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überblicken.
    «Und was ist mit diesen Journalisten?», fragte eine Stimme, die Marten unbekannt war.
    «Momentan ist diese Fotografin unter Ebba Johns Fittichen», sagte Schmidt-Katter.
    Eine weitere unbekannte Stimme meldete sich zu Wort. «Genau wie Sinclair Bess. Die beiden hatten einen Schock. Zwar hat diese Frau Spinnaker ein paar Minuten wie irre geknipst. Doch dann begannen ihre Hände zu zittern, wir haben ihr die Kamera abgenommen und sie und den Alten auf die Station bringen lassen.»
    «Ist Doktor Perl wieder aufgetaucht?», hakte Schmidt-Katter nach.
    «Nein, ist er nicht. Wir haben ihn schon überall gesucht. Meine Männer hatten die Anweisungen, die Augen offen zu halten. Doch wir vermuten, er ist gar nicht erst an Bord gegangen. Unsere Mitarbeiterin hatte gestern, als die Belegschaft von Bord gegangen war, alle Ankommenden kontrolliert und die Besucherausweise ausgegeben. Laut ihrer Aussage war Herr Perl nicht dabei.»
    «Es war aber abgemacht, dass der Arzt an Bord sein würde! Wer kümmert sich nun um Sinclair Bess? Ein Schock ist keine harmlose Sache.»
    «Frau John hat als Stewardess auch einige Kurse in erster Hilfe belegt. Sie ist eine zuverlässige Frau, sicher wird sie in der Bordapotheke das Richtige finden, um die beiden wieder hochzupäppeln.»
    «Und die Fotos?»
    «Wir haben den Film vernichtet.»
    «Und was wollen wir ihr sagen?»
    «Wir werden ihr sagen, dass sie die Kamera fallen gelassen hat. Ich glaube nicht, dass sie sich noch an alles erinnern kann!»
    «Und wenn doch?»
    «Ebba John sagte, sie würde ihr etwas zur Beruhigung geben.» Einige Sekunden schwiegen die Männer im Raum, dann fügte die Stimme, die anscheinend einem der Sicherheitsmänner zuzuordnen war, an: «Wir können uns aufFrau John verlassen. Die Fotografin wird uns die Story mit dem fallen gelassenen Fotoapparat abnehmen!»
    «Sehr gut!», sagte Schmidt-Katter. Er schien sich wieder zu fangen und stand auf, ging ein paar Schritte weiter nach rechts und war aus Martens Blickfeld verschwunden. Stattdessen trat der Mann mit der unbekannten Stimme nach vorn. Leider stand er mit dem Rücken zur Wand, doch an seiner Kleidung konnte Marten zumindest erkennen, dass es sich um einen Mann von der Security handeln musste.
    «Was ist mit dem Schreiberling?», fragte der Kapitän.
    «Der ist schon gar nicht mehr mit von der Partie», antwortete der Sicherheitsmann.
    «Was heißt das?»
    «Es heißt, was es heißt. Wir haben ihn ruhig gestellt.»
    Jelto Pasternak schaute nur kurz verwundert zu dem Unbekannten hinüber und verzog das Gesicht. «Ich habe gleich gesagt, dass wir keine Presse an Bord nehmen sollen. Das haben wir nie getan, und wir sollten auch in Zukunft darauf verzichten. Das hier ist keine Vergnügungsfahrt.» Dann konzentrierte sich der Kapitän wieder hundertprozentig auf die Strecke.
    Marten schaute auf seine Uhr. Es war kurz vor zehn. Wenn man die Verspätung, die durch die Karambolage verursacht worden war, in den bekannten Zeitplan einrechnete, so müsste nun die Stelle kommen, an der die Leda in die Ems mündete. Ein spitzer Winkel mit tückischem Fahrwasser lag vor dem Schiff. Obwohl der Flusslauf an dieser Stelle im Vorfeld bereits an die Größe der
Poseidonna
angepasst worden war und man den Wendekreis plus Tiefgang vergrößert hatte, würde Jelto Pasternak die nächste Dreiviertelstunde seine ganze Aufmerksamkeit dem Manöver schenken müssen. Er hantierte konzentriert am Joystick, und jedem auf der Brücke musste klar sein, dass zumindestzu diesem Zeitpunkt jegliche Diskussion als beendet anzusehen war.
    Der Erste Maschinist und langjährige Betriebsratsvorsitzende war tot. Allem Anschein nach aus mehreren Stockwerken Höhe auf den steinernen Brunnenboden geknallt. Aus welchem Grund auch immer.
    Und trotzdem fuhr die
Poseidonna
weiter, unbeirrt, beinahe stur.
     
    Am Freitagnachmittag gegen halb drei war Svetlana Adamek gestorben.
    Am Abend gegen halb acht zog sich Robert Adamek den hellgrauen Overall über und wartete auf den Kleinbus, der ihn und seine Kollegen zum Tor E der Schmidt-Katter-Werft bringen würde. Fünf Stunden Zeit, um sich die Augen aus dem Kopf zu heulen, die Welt zu verfluchen und Rache zu schwören. Und dann musste es weitergehen.
    Marten hatte fassungslos mit angesehen, wie sich Svetlanas Vater schweigend ein Brot mit Wurst und einen Apfel in die Plastikdose gepackt und die Thermoskanne mit Pfefferminztee gefüllt hatte. Er war ein schwarzhaariger Mann mit buschigen

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