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Halbmast

Halbmast

Titel: Halbmast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Tabletten aus den bereits geöffneten Verpackungen, bis sie die blauen Tabletten in der Hand hielt, die Ebba ihr gerade angeboten hatte.
    «Von wegen pflanzlich», sagte sie leise zu sich selbst. Die vermeintlich harmlosen Tabletten enthielten immerhin eine Dosis Valium. Carolin überlegte, ob sie einen so fertigen Eindruck gemacht hatte, dass Ebba ihr diese kleinen Schlafbomben verpassen wollte. Im Grunde fühlte sie sich wieder gut. Fit genug, um ein paar Fotos zu machen, wenn sie nur endlich den Apparat wieder fand.
    Sinclair Bess’ Sakko hing an einem Garderobenhaken. Ihre Nikon hing nicht daneben.
    «Mister Bess, kann ich Sie einen Moment allein lassen? Ebba John ist bestimmt gleich wieder da.»
    Obwohl er noch immer tief in sein Kissen gesunken war, erkannte sie ein angestrengtes Grinsen. «Ich denke, ich werde es überleben, Honey.»
    «Ich gehe in meine Kabine. Ich habe dort einen Ersatzapparat liegen, den muss ich holen. Schließlich will ich meinen Job zu Ende bringen! Alles Gute für Sie, Mr.   Bess.»
    Carolin ging den Flur entlang. Wenn sie nur den ausgeprägten Orientierungssinn hätte, über den Leif verfügte. Sobald sie die Ersatzkamera in den Händen hielt, würde sie weiter nach ihm suchen. So lange, bis sie ihn gefunden hatte, in allen Winkeln und Ecken. Immerhin kannte sie schon die geheimen Wege der Lüftungsrohre.
    Als sie die Tür der Krankenstation hinter sich schloss, blickte sie wieder in einen dieser ewig langen, grauen Gänge ohne Hinweisschilder. Carolin versuchte, sich den Plan der
Poseidonna
ins Gedächtnis zu rufen. Sie wusste immerhin noch, dass sich das Hospital auf demselben Deck befand, auf dem auch die zentrale Küche und die Vorratsräume untergebracht waren. Der nächste Eingang befand sich zwanzig Schritte weiter rechts. Sie stieß die schwere Tür auf, dahinter war ein leerer Raum, doppelt so groß wie das Patientenzimmer, dem sie eben entkommen war. Es gingen gewaltige Regale vom Boden bis zur Decke. Eine Speisekammer eventuell, oder vielleicht auch ein Lagerraum für die nötigen Utensilien, wie Töpfe, Kellen, Fritteusenkörbe, so etwas in der Art. Daneben waren vier riesige, blanke Metallfässer, von denen etliche Schläuche in die Wand führten. Sie hatte davon gehört, dass die Tischweine in solch überdimensionalen Behältern gelagert wurden. Dies war also die moderne Variante des kühlen Weinkellers. Sie schloss die Tür und überlegte. Wenn sich zur rechten Hand die fensterlosen Räume befanden, so war vielleicht links ein Zimmer mit Aussicht. Dann könnte sie immerhin erahnen, ob sie sich im vorderen oder hinteren Teil des Schiffes befand.
    Die nächste Kammer gewährte zwar keinen Blick nach draußen, dennoch wusste sie nun, wo sie sich befand. Sietrat in einen der Klimaräume, die sie vor ein paar Stunden mit Pieter durchwandert hatte. Carolin ließ die Tür angelehnt, da es im Raum stockfinster war. Ohne Pieters Taschenlampe wären sie vorhin schon aufgeschmissen gewesen. Sie brauchte etwas Licht, denn sie wusste von Pieter, dass auf der Rückseite der Luftrohre mit Edding verschiedene Kennnummern geschrieben standen, die beim Einbau die richtige Sortierung der gewaltigen Metalltunnel erleichterten. Carolin zwängte sich zwischen Abzug und Wand und konnte «D5H-3756» entziffern. Er hatte ihr erklärt, dass die ersten drei Stellen Deck- 5-Heck bedeuteten, und dieses Wissen gab Carolin ein gutes Gefühl. Sie war nicht mehr so hilflos, nicht mehr so verloren. Sie kannte geheime Wege und verschlüsselte Wegweiser, sodass sie nun fast ebenfalls als blinder Passagier hätte überleben können. Zumindest in diesem Moment glaubte sie fest an ihre Überlegenheit.
    Bis sie durch den Türspalt eine kleine, hektische Gruppe ausmachen konnte. Sie schoben ein Krankenbett durch den Flur. Erst dachte Carolin, dass es vielleicht einen Verletzten gegeben hatte, sie schoben das Bett in Richtung Krankenstation. Doch die Person, die darauf lag, hatte das Gesicht verdeckt. Es war Grees. Sie brachten seine Leiche weg. Um Himmels willen, warum? Man durfte nichts anrühren, bis die Polizei und die Spurensuche eintrafen. Carolin kannte dieses dringende Gebot von ihrem Job. Sie war als Fotografin schon ein paar Mal an einem Unfallort eingetroffen, bevor die Dienstwagen der Ordnungshüter vorfuhren. Nichts anfassen, nichts verändern, Finger weg! Und nun schoben sie Grees’ Leiche durch das Schiff! Sie erkannte Ebba John, aus diesem Grunde hatte diese wahrscheinlich vorhin nach dem

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