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Halbmast

Halbmast

Titel: Halbmast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Ems und schob sich Meter für Meter weiter in die Richtung, in der eine zweite Falle auf das Schiff wartete.
    Leider ließ sich nichts mehr rückgängig machen. Zwar hatte die Gruppe alles vorsorglich geplant und durchgesprochen, sie hatten sich wirklich Mühe gegeben und mit vielen Eventualitäten gerechnet, um Pannen zu vermeiden. Doch dass hier an Bord ein Mord geschehen könnte, hätte niemand vorausahnen können. Es würde ein fatal falsches Licht auf ihn und seine Leute werfen. Sie würden damit in Zusammenhang gebracht werden. Natürlich, Pieter erinnerte sich an das letzte Gespräch auf dem Deich, als er sich so sicher gefühlt hatte – irgendjemand hatte ihn gefragt, was passieren sollte, wenn jemand starb, und er hatte nicht darauf reagiert   –, aber die Sorge war damals lediglich gewesen, dass jemand bei den Sabotageakten Schaden nehmen könnte. So wie der Amerikaner beim Zusammenstoß gestürzt war, so etwas in der Art. Niemand hatte je von Mord gesprochen.
    Es war ja auch nicht sein Mord. Aber hätte er gewusst, was passieren würde, hätte er die Sache mit dem Bus nicht gemacht. Nun war es nicht mehr aufzuhalten.
    Er saß noch eine kurze Weile unter dem Black-Jack-Tisch. Er musste Carolin finden. Er musste ihr klar machen, dass er nichts damit zu tun hatte. Würde sie sich von ihm abwenden, würde sie ihm misstrauen, so wäre alles umsonst gewesen. Wo sollte er suchen?

Marten
    Auf einmal stand sie mitten im Raum. Die Crew feierte gerade die erfolgreiche Überwindung der engen Flusskurve, und Schmidt-Katter gab dem Kapitän freudestrahlend die Hand. Der tote Wolfgang Grees schien genauso vergessen zu sein wie das Flüsschen Leda, welches nun hinter ihnen lag. Marten hatte in seinem Versteck inzwischen einen Winkel gefunden, in dem er weit mehr einsehen konnte als nur den Steuerstand. Als diese Fotografin die Brücke betrat, schaute sich alles nach ihr um.
    Sie sah hundeelend aus. Obwohl die Klamotten frisch und sauber waren, wirkte sie wie gerädert. Ihre Augen stachen merkwürdig rot aus dem blassen Gesicht hervor. Sie stand da, holte mehrmals Luft, wahrscheinlich war sie die Treppe hinaufgerannt, und erst als sie wieder ruhig atmen konnte, wagte sie, zu sprechen. Noch immer starrten sie mindestens sechs Augenpaare an, Marten nicht eingerechnet.
    «Wo ist meine Kamera?», sagte sie.
    Schmidt-Katter ging auf sie zu und schüttelte ihr wie bei einer Beileidskundgebung die Hand. «Sie haben sie fallen lassen, vorhin im Atrium.»
    «Merkwürdig, ich kann mich gar nicht daran erinnern. Meiner Meinung nach habe ich sie einem Ihrer Sicherheitsmänner in die Hand gedrückt.»
    «Es muss ein schlimmer Anblick für Sie gewesen sein. Wollen Sie sich nicht lieber noch ein wenig erholen? Wir dachten, Frau John würde sich um Sie kümmern.»
    «Das hat sie auch getan. Es war ein schlimmer Anblick, da haben Sie Recht. Aber ich habe in meinem Job schon einige Sachen ertragen müssen. Deswegen verliere ich nicht meinen Kopf. Und erst recht nicht meine Kamera.»
    «Sie haben aber wie verrückt gezittert. Sie waren außer sich», entgegnete der Sicherheitsmann, der sich am Telefon Roger Bernstein genannt hatte.
    Die Fotografin reagierte nicht. «Meine ganzen Aufnahmen, alle im Eimer!» Sie schien wütend zu sein, wütend und verzweifelt. Es wirkte, als rotteten sich die anwesenden Männer im Halbkreis um sie, doch sie ließ sich nicht beirren. «Mein Kollege ist heute ebenfalls noch nicht aufgetaucht. Und kein Mensch außer mir scheint sich darum zu sorgen. Wissen Sie was? Sobald sich die Gelegenheit ergibt, würde ich gern von Bord gehen!»
    «Das können wir verstehen», sagte Jelto Pasternak, der sich ruhig und gelassen gab, eine Tasse Tee in der Hand hielt und dem Steuermann für einen Augenblick das Ruder überlassen hatte. «Aber ich habe entschieden, dass es keinen Zwischenstopp geben wird, bis wir das Sperrwerk passiert haben. Die Satellitenbilder sagen einen heftigen Sturm voraus, und bis dahin müssen wir aus dem Fluss raus sein, sonst bekommen wir ernsthafte Schwierigkeiten mit dem Schiff.»
    «Das ist mir egal. Ich habe keine Veranlassung, mich noch einen Moment länger hier aufzuhalten. Der Auftrag ist geplatzt. Ohne Arbeitsgerät kann ich keine Bilder mehr machen. Sie können meinetwegen gerne meinen Chefredakteur anrufen und ihn darüber informieren, aber bitte bringen Sie mich umgehend von Bord der
Poseidonna
!» Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt und versuchte offenbar, resolut zu wirken.

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