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Halbmast

Halbmast

Titel: Halbmast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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einer Spritze injiziert. Nicht viel, wirklich   …»
    «Nun rede dich nicht heraus. Irgendetwas muss doch passiert sein, irgendwie muss deine Dosis danebengelegenhaben, sonst würdest du nicht so nervös neben mir sitzen und vom Hundertsten ins Tausendste gehen. Also: Was ist los? Hast du ihn vor lauter Loyalität deinem Arbeitgeber gegenüber um die Ecke gebracht?»
    «Das Zeug hat bei ihm nicht gewirkt. Es war seltsam. Ich bin ihm nachgeschlichen und habe ihn beobachtet, wie er die halbe Flasche Champagner getrunken hat. Er hätte da schon im Tiefschlaf sein müssen. Doch stattdessen traf er sich mit der Fotografin. Zwar wirkte er leicht angeschlagen, aber er konnte noch immer reden, noch immer laufen. Ich kann mir das nicht erklären.»
    «Hat er ihr etwas über dieses Mädchen erzählt?» Eigentlich kannte Pieter die Antwort auf diese Frage. Carolin hatte ihm bereits berichtet, dass Leif Minnesang nur vage Andeutungen über verdächtige Ungereimtheiten gemacht hatte.
    «Ich habe keine Ahnung. Sie saßen direkt nebeneinander, sie schienen vertraut zu sein. Ja, er hat ihr etwas gesagt, aber ihre Köpfe steckten zu dicht zusammen, als dass ich etwas hätte hören können.»
    «Haben die beiden ein Verhältnis?»
    Ebba schaute weiter in die ihm entgegengesetzte Richtung, was sie ohnehin schon die ganze Zeit machte. Sie musste vor lauter Verlegenheit ihren Kopf in einem ziemlich unbequemen Winkel halten. Fast tat sie ihm Leid. «Ich glaube nicht, zumindest sind sie beide allein in ihren Kabinen verschwunden.»
    «Und dann?»
    «Ich bin zu ihm gegangen.» Er musste sie fragend angeschaut haben, denn beinahe entschuldigend fügte sie hinzu: «Ich kannte ihn von früher. Vor meiner Zeit in Amerika waren wir ein Paar. Jugendliebe, nichts Bedeutendes. Ich habe einfach an seine Tür geklopft, weil ich herausfinden wollte, ob er schon schläft. Als er dann aber öffnete, habe ich sogetan, als, na ja, als wolle ich alte Geschichten aufwärmen. Ich habe ja auch fest damit gerechnet, dass er eh zu müde zu allem ist. War er aber nicht.» Sie wandte sich weiter ab, der Verlauf des Gespräches schien ihr unangenehm zu sein.
    «Was ist dann passiert? Immerhin muss er ziemlich benebelt gewesen sein. Jede Menge Cocktails aus Champagner und Valium   …»
    «Er ist eingeschlafen. Ganz normal. Ich bin irgendwann aufgestanden und gegangen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie es mir ging. Ich habe mich fast vor Leif gefürchtet. Er war schon immer ein merkwürdiger, manchmal unheimlicher Mensch. Aber nie so sehr wie gestern Nacht, denn er nahm die Dosis hin, als wäre nichts geschehen. Als könne sein Körper die Beruhigungsmittel absorbieren. Meine ganze Aktion war scheinbar umsonst.»
    «Hat er nochmal von diesem Mädchen, von dieser Polin gesprochen?»
    «Nein, hat er nicht. Was das darüber Nachdenken angeht, ist mein Plan zumindest aufgegangen.»
    «Und warum ist er inzwischen verschwunden?»
    «Woher weißt du das?»
    Pieter hatte nicht aufgepasst. Eingefangen von der unglaublichen Geschichte seiner Tante, hatte er sich zu einer unachtsamen Bemerkung hinreißen lassen. Er zuckte die Schultern. «Ich habe Gespräche belauscht. Im Lüftungsschacht.»
    «Ach, so bewegst du dich an Bord. Und wen hast du belauscht?»
    Pieters Gedanken füllten rasant den Kopf. Er durfte Carolin nicht ins Spiel bringen, Ebba sollte keine Ahnung haben, dass er der Fotografin in irgendeiner Weise Beachtung schenkte. «Die Sicherheitsmänner haben sich darüber unterhalten.»
    «Die Sicherheitsmänner?»
    «Du weißt schon, diese Typen in den blauen Uniformen. Ich habe ein Gespräch mit angehört, sie haben sich Gedanken gemacht, wo Leif Minnesang stecken könnte.»
    «Aha», Ebba zog sich auf einmal zurück. Sie sagte kein Wort mehr. Hatte er etwas Falsches gesagt?
    Er hakte nach. «Weißt du denn, wo dieser Journalist steckt?»
    «Wer hat dir erzählt, dass er verschwunden ist?», fragte sie noch einmal.
    Pieter schlussfolgerte daraus, dass er mit seiner Notlüge vom belauschten Gespräch der Sicherheitsleute danebengelegen haben musste. Wahrscheinlich steckte die Truppe mit Ebba unter einer Decke und kannte den Grund für das Verschwinden von Carolins Kollegen. In diesem Fall würden sie sich wohl kaum über dessen Verschwinden unterhalten und er hätte dementsprechend auch kein solches Gespräch belauschen können. Wie sollte er sich herausreden? Er schwieg lieber einen Moment und begann sich eine Zigarette zu drehen. Das Rollen des Tabaks auf dem

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