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Halbmondnacht

Halbmondnacht

Titel: Halbmondnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Carlson
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entdecken. Nichts. Tyler hatte Ray gesagt, er solle sich nicht vom Fleck rühren. Sicher hatte dieser Befehl Ray augenblicklich in den Wahnsinn getrieben. Doch ich konnte die Kuppe, auf der er weiterhin festsaß, von hier aus nicht richtig sehen; die vor mir aufragende Felswand war im Weg.
    Die Steilwand wuchs sicherlich dreihundert, dreihundertfünfzig Meter in die Höhe, ehe sie die Gipfelregion erreichte. »Also noch mal: Was, glaubt ihr, hat Eamon gemeint, als er sagte, das Portal sei getarnt und wirke wie etwas anderes? Seht ihr da oben irgendwo Vegetation, Bäume, Sträucher, keine Ahnung was?«, wollte ich wissen. Alles, was ich sah, war Fels und Stein. Zu hoffen, oberhalb der Baumgrenze noch großartig Vegetation zu finden, war ja auch arg naiv. Wir waren jetzt etwa eine Stunde lang den Berg hinaufgestiegen. Naomi war immer noch nicht aufgetaucht. Am Horizont wurde es bereits heller; bald ginge die Sonne auf. Ich hoffte, sie hatte einen sicheren Ort gefunden, wo sie den Tag über bleiben konnte. »Ich will einfach nicht glauben, dass Eamon sich seine Schwester gegriffen hat«, murmelte ich. »Aber er wird sicher versuchen, ihren Hintern wieder nachHause zu schaffen. Also werden sie sich bestimmt in diesem Augenblick streiten, dass die Fetzen fliegen.« Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete ich meinen Bruder. Wenn er dabei wäre, für die Sache eines anderen sein Leben aufs Spiel zu setzen und es dabei höchstwahrscheinlich zu verlieren, würde ich wohl nicht viel anders als Eamon reagieren. Widerwillig zollte ich dem Vampir meinen Respekt für den Versuch, seine Schwester zu retten. Sehr widerwillig. »Okay, wie finden wir das Portal nun ohne die Vampire?«
    Tyler suchte die Steilwand ebenso wie ich mit Blicken ab. »Wir müssen weiter Ausschau nach Auffälligkeiten halten.«
    »Genau das machen wir, klettern dabei aber weiter. Seht ihr die beiden Gipfel? In hundertfünfzig Metern müssen wir uns für einen von beiden entscheiden. Welchen nehmen wir?«, fragte ich. Der Gipfel, der uns näher war, war höher als der rechts davon.
    »Wir nehmen den rechten. Schließlich war ›rechts‹ die einzige Info, die Eamon uns gegeben hat.« Tyler suchte nach Halt in der Wand und zog sich hoch. »Spürst du nicht doch schon irgendwas? Etwas magische Energie oder sonst irgendeinen anderen seltsamen Zauberkram? Selenes Magie müsste hier doch im Überfluss vorhanden sein. Ich versteh’s einfach nicht.«
    Etwas anderes als das Gefühl, dass die Zeit drängte und wir verschwendeten, was davon noch übrig war, verspürte ich aber nicht. »Wahrscheinlich versteckt sie ihre Magie irgendwie, und sie fühlt sich deshalb ganz anders an.« Ich schloss die Augen. Niemals zuvor hatte ich ausprobiert, ob ich mir Fühler vorstellen konnte und meine Magie sie dann gleichsam auszustrecken vermochte. Es war einen Versuch wert. Weißt du, wie das funktioniert? , fragte ich meine Wölfin. Sie hob die Schnauze, hielt sie mal hier, mal dorthin und nahm systematisch die Witterung der Luft um sie herum auf. Ich ahmte ihre Bewegungen nach und flehmte. Die eingesogene Luft ließ ich über die Zunge rollen und prüfte mit den Geschmacksknospen dort die Aromen, die ich so aufnahm. K annst du Magie riechen oder schmecken? Sie gab ein kleines Jaulen von sich und blieb reglos stehen. Dann legte sie den Kopf auf die rechte Seite. Ich nahm vage einen fremdartigen Geruch wahr. »Ich habe da was auf die Zunge bekommen, das fremdartig ist, anders. Es ist nicht Selenes Geruch, aber da drüben   …«, ich zeigte auf die Quelle des Geruchs rechts in der Steilwand, »riecht es anders. Ich weiß nicht, ob Magie der Grund dafür ist oder nicht. Der Geruch ist nur sehr schwach ausgeprägt. Außerdem rieche ich Tiere, und die beiden Gerüche mischen sich. Riecht einer von euch beiden auch noch Wildschafe, Dickhornschafe vielleicht, oder Bergziegen oder etwas in der Richtung?«
    Danny holte tief Luft. »Ja, ich rieche sie auch. Bergziegen, würde ich sagen. Sie riechen ein bisschen nach Staub und Moder, finde ich. Das ist es aber auch schon, mehr wittere ich nicht.«
    Tyler streckte ebenfalls die Nase in den Wind. »Tiere rieche ich schon die ganze Zeit über. Aber ich habe die Witterung ausgesondert und nicht weiter beachtet. Okay, auf ein Neues also.« Auch er flehmte, seine Nasenflügel bebten. Da blitzte ganz kurz Gelb in seinen Augen auf. Etwas Übernatürliches, das seine Aufmerksamkeit erregt hatte, löste diese Reaktion aus.
    »Was?«, fragte ich

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