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Halbmondnacht

Halbmondnacht

Titel: Halbmondnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Carlson
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Er rannte gebückt und nutzte seine ganze übernatürliche Schnelligkeit.
    In seiner Wolfsgestalt war Tyler schneller als jeder andere. Das war seine besondere Gabe. Damit war er auch unglaublich schnell, wenn er in Menschengestalt blieb. Noch drei weitere Ziegen folgten ihren Artgenossen hinunter in die Schlucht. Bemerkenswerterweise konzentrierten sich nun alle übrigen Ziegen allein auf ihn. Sie schnaubten, scharrten mit den Hufen und meckerten erbost. Aber sie waren langsam; es war ein Leichtes, ihnen auszuweichen. Rasch hatte Tyler Danny erreicht. Der war immer noch eifrig dabei, den gesunden Arm dazu zu benutzen, die Ziegen mit Steinen zu bewerfen.
    War das wirklich Selenes letzte Verteidigungslinie? Irgendetwas übersahen wir, ich war mir ganz sicher. Die Ziegen waren unheimlich, ja. Aber sie waren keine tödliche Mega-Bedrohung. Eigentlich war der Felsvorsprung wie für einen Angriff der geflügelten Teufel geschaffen. Wir wären verflixt leichte Beute, leichter als jedes Stück Aas.
    Wir müssen unbedingt wachsam bleiben. Das kann nicht alles sein, was Selene aufzubieten in der Lage ist. Meine Wölfin knurrte zustimmend. Mit Blicken suchte sie aufmerksam die Umgebung ab. Sie ließ nichts aus.
    Vorsichtig zog ich mich hinauf auf die Felsnase. Ich verschwendete keine Zeit, sondern stürzte mich schnurstracks auf die unbewegliche Ziege. Bis jetzt hatte sie sich nicht einen Zoll bewegt. Aber die Gelegenheit war gut: Alle anderen Wächterziegen hatten sich auf Tyler konzentriert. Als ich mich der Ziege näherte, bemerkte ich, dass sie sicher nie ein lebendes Wesen gewesen war.
    Das war keine echte Ziege, nicht mal eine gewesene.
    Jetzt blieb die Frage: War das künstliche Ding eine Illusion oder der nächste Gegner, den ich erst aus dem Weg räumen musste, um ins Innere von Selenes Zuflucht zu gelangen? War es der Toröffner? Was denkst du, was das Ding da ist? Meine Wölfin bellte auf und scharrte mit einer Pfote. Noch einmal sog ich prüfend Luft ein. Auf dem Felsvorsprung war der Geruch nach Verwesung sehr viel stärker. Gleichzeitig roch ich etwas, das, so schwach es war, eindeutig eine Warnung war. Was immer es war, es krampfte mir sofort den Magen zusammen, so, als hätte ich etwas Verdorbenes gegessen. Was hat das zu bedeuten? , fragte ich meine Wölfin. Sie war alarmiert, hatte die Ohren angelegt und fletschte gerade die Zähne. Sie mochte den Geruch so wenig wie ich. Sie sandte mir ein Bild, in dem die Ziege sich verwandelte,kaum dass ich sie berührte. Ich muss sie anfassen? Sie ließ das Bild der leeren Holzkiste vor meinem inneren Augen entstehen. Ich verstand. Wir würden gemeinsam Kräfte sammeln und dann versuchen, den Zauber, der im Innern der Ziege verborgen war, zu brechen. Selenes letzte Verteidigung. Sobald ich den Torwächter überwunden hätte, sollte ich in ihre Festung eindringen können. Das war weder ein sonderlich raffinierter noch ein brillanter Plan, aber mir reichte er. Okay, dann mal los.
    Wir beide konzentrierten uns, um unsere magische Energie zu kanalisieren, die Energie, die wir in uns aufgesogen hatten, nachdem wir den schützenden Kokon aus Magie um mich herum durchbrochen hatten. Ich hatte endlich begriffen, dass meine magischen Kräfte nie in dieser Kiste eingesperrt gewesen waren, die meine Wölfin visualisiert hatte. Irgendwo tief in mir gab es eine Machtquelle, deren magische Kraft rascher anzuzapfen ich in Zukunft würde lernen müssen. Hier und jetzt schloss ich die Augen und konzentrierte mich darauf, in diese Quelle hineinzustoßen wie mit einem Strohhalm und dann an diesem zu saugen, was das Zeug hielt.
    Magie materialisierte sich in meinem Geist.
    Ich konnte sie sehen. Sie war wie ein goldenes Band, dass mein gesamtes Ich, Herz wie Verstand, durchzog. Ich begriff, dass das meine Energiesignatur war: Sie war nicht rot wie Selenes, sie war golden. Die Energie wirbelte herum, bis ich nur noch ein strahlend helles, goldenes Licht gleich Sonnenschein in meinem Geist wahrnehmen konnte. Fell spross auf meinen Armen; meine Muskeln spielten unter der Haut. Meine Lykanergestalt war stark, so stark, wie sie nur sein konnte. Wir sind bereit, glaube ich.
    Ein wütendes Meckern erklang genau rechts neben mir.
    Verflixt, wir haben Gesellschaft. Der Atem des Biests traf mich mit seinem fauligen Gestank im Nacken. Ich hatte mich zu sehr auf den Torwächter konzentriert und übersehen, dass ich die Aufmerksamkeit einer der anderen Ziegen auf mich gelenkt hatte.
    »Jess, Vorsicht!«,

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