Halbmondnacht
nicht Selenes Magiesignatur. Aber das Blau war zweifelsfrei mit ihrer Magie vermischt. Eine echt verschlagene Hexe.
Sobald der Zauber umhüllt war, zog ich die Goldfäden meiner Magie mit aller Kraft ruckartig zurück.
Sofort zerriss Selenes Zauber, oder besser: Er verwelkte wie eine eben noch Blüten tragende Blume, die unter einer Schlingpflanze erstickt.
Rourke erwachte auf der Stelle. »Jessica, Jessica«, schrie er und packte mich an den Armen, was trotz allem sogleich süße Gefühle in mir weckte. »Du musst sofort hier raus! Du hast keine Ahnung, zu was Selene alles fähig ist …«
»Schscht.« Ich beugte mich zu ihm hinab, mein Gesicht war jetzt ganz nah an seinem, und ich konnte seinen Geruch inhalieren. »Vergiss es. Ich gehe nirgendwohin, ehe du nicht vollkommen wiederhergestellt bist.« Sein Geruch ließ mich erschauern, und mir stellten sich alle Härchen auf, ein Gefühl, so köstlich wie Rourkes Geruch in meiner Nase. Rourke selbst pulste plötzlich vor Energie. Diese Energie war gerade eben noch nicht spürbar gewesen. Der Zauber, mit dem Selene ihn belegt hatte, musste also fast seine ganze Energie gebunden haben. Nun konnte sie zu meinem Vergnügen wieder frei fließen. »Jetzt jedoch muss ich mich um Selene kümmern.« Ehe ich aufstehen und zu Naomi und den Jungs hinübergehen konnte, nahm Rourke mein Gesicht in beide Hände und zog es zu sich hinab. Meine Lippen trafen auf seine, und wir küssten uns leidenschaftlich und mit einer Verzweiflung, die mich umhaute. Das aber wurde mir erst bewusst, als er mir schon seine Zunge in den willig geöffneten Mund stieß.
Leidenschaft riss mich mit sich fort. Rourke zu spüren, ihnschmecken zu können, machte alles andere um mich herum zur Nebensache. Ich stöhnte unter seinem Kuss, packte Rourke bei den Schultern und zog ihn an mich. Seine Zunge spielte mit meiner. Unser magisches Band wurde in mir angeschlagen wie eine klingende Saite. Unser beider Körper und Geist verschmolzen; mir zitterten Arme und Beine.
Ganz sanft löste sich Rourke von mir, und ich musste einen Laut der Enttäuschung unterdrücken. »Jessica«, bat er heiser, »sag mir, dass das kein Traum ist.« Seine wundervollen grünen Augen leuchteten auf, als er mir mit den Fingerspitzen über Arme und Wangen strich.
»Kein Traum«, versicherte ich ihm. »Ich bin hier, und Selene ist für Erste am Boden, wortwörtlich sogar. Aber das dürfte nur von kurzer Dauer sein. Ich muss ihr ein Ende machen, ehe wir nach Hause zurück können.«
»Nein.« Energisch schüttelte er den Kopf. »Hör mir zu: Kümmere dich nicht weiter um sie und geh. Geh sofort. Man kann kein vernünftiges Wort mehr mit ihr reden.« Na, so was, hatte es je Zeiten gegeben, wo das möglich gewesen war? »Sie hat ihre Seele verkauft. Nichts kann sie jetzt noch aufhalten. Wir können sie nicht besiegen. Du musst umgehend von hier fort, und ich folge dir so schnell wie möglich.« Er stemmte sich hoch, das Gesicht schmerzverzerrt.
»Nein, wir müssen zumindest versuchen, ob es uns nicht doch gelingt, sie zu töten.« Ich legte ihm die Hand auf die Schulter, bemüht, ihn zu beruhigen. »Vorher gehe ich nicht. Ich habe echt keinen Bock, ständig über die Schulter zu blicken in der Angst, sie fällt mir in den Rücken. Sie wird uns jagen, bis sie uns erledigt hat, und sie wird niemals aufgeben.« Sanft drückte ich ihn wieder in eine liegende Position und beugte mich besorgt über ihn. »Naomi hat ihr gerade einen weiteren Zauber verpasst. Wenn ich Selene nicht umbringen kann, können wir sie zumindest für einen längeren Zeitraum kampfunfähig machen. Ich könnte mirvorstellen, Feuer wäre eine nützliche Waffe dazu, sofern wir sie vorher auch noch zerstückeln.«
»Das funktioniert nicht«, widersprach er mit Nachdruck. Sein Gesicht verriet seine Anspannung; er packte mich an den Armen. »Jessica, bitte, du musst auf mich hören!« Als er meinen Namen sagte, prickelte Lust durch mein Nervensystem. Rasch verbannte ich den Gedanken an Liebe und Sex aus meinem Kopf. Ich durfte mich auf gar keinen Fall ablenken lassen. »Man kann sie nicht töten, nicht einmal für einen längeren Zeitraum kampfunfähig machen. Ich habe es versucht, glaub mir. Als ich hier angekommen bin, habe ich all ihre Zauber gebrochen und konnte sie niederringen. Aber dann sind die Dämonen gekommen. Sie haben etwas mit ihr gemacht, und danach war alles anders. Ich nehme an, sie hat einen Pakt mit der Unterwelt geschlossen, weil die Magie in ihr
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