Halbmondnacht
unschätzbar wichtig für uns. Danke«, sagte ich, während ich an Nicks Hals hing. »Ich melde mich, sobald ich Gelegenheit dazu finde.«
»Da sind noch ein paar andere kleine Überraschungen in dem Rucksack, okay?«, erklärte Nick und drückte mich fest an sich. »Bitte, tu mir bloß den einen Gefallen und pass auf, dass du in einem Stück zurückkommst, ja? Ich bin nämlich ziemlich fest davon überzeugt, dass ich mit einer Welt, in der es dich nicht mehr gibt, nicht sonderlich gut zurande komme.«
»Ich werde mir redlich Mühe geben, versprochen.« Ich löste mich aus der Umarmung. »Ich habe dich wirklich furchtbar gern.«
Er nickte und trat zur Seite, damit ich James auf Wiedersehen sagen konnte. Der nächste Abschied. »Ich dich auch, Jess. Mach’s gut, und noch mal: Pass gut auf dich auf!«
»Hallo, Jessica.« James kam auf mich zu und gab mir einen unschuldigen Freundschaftskuss auf die Wange. »Ich wollte dich unbedingt noch vor deiner Abreise sehen und dir eine erfolgreiche Suche wünschen.«
Wir waren uns seit meiner Rückkehr aus New Orleans nicht mehr über den Weg gelaufen. »Danke, James. Aber wir beide kennen doch den wahren Grund, aus dem du hier bist: damit du zu Hause berichten kannst, dass unsere Expeditionsvorbereitungen einen ordentlichen Eindruck machen und der Aufbruch bestens gelaufen ist.« Mein Vater und ich hatten uns bereits unter Ausschluss der Öffentlichkeit voneinander verabschiedet, als ich unsere Büros verlassen hatte. Ich hätte es nicht ertragen, wenn er aufgetaucht wäre und im letzten Moment doch noch seine Meinung geändert hätte und mich nicht hätte fahren lassen wollen. Wir waren daher beide der Meinung gewesen, es sei besser, er käme gar nicht erst her, um uns zu verabschieden.
Wie bereits gesagt, passen Wölfe und große Gefühlsbewegungen so gar nicht zusammen.
James lachte. Selbst hierbei war der irische Singsang, der seineHerkunft verriet, zu erahnen. »Ich fühle mich durchschaut, aber trotzdem wünsche ich dir nur das Beste für deine Reise. Hoffentlich ist tatsächlich ausreichend für deinen Schutz gesorgt. Dem ersten Augenschein nach haben Tyler und Danny an alles gedacht.« James war einer der größten Wölfe im Rudel, hatte dichtes dunkles Haar und moosgrüne Augen. Er schien nur aus Muskeln zu bestehen und war unglaublich sexy. Wie üblich trug er ein schwarzes T-Shirt zu einer Cargohose. Ganz kurz lehnte ich den Kopf gegen seine Brust. Unsere Wölfe waren sich sozusagen flüchtig begegnet, und meine Wölfin bellte als Zeichen dafür, dass sie James erkannte. Aber mehr war es auch nicht. Mein Leben wäre um einiges leichter gewesen, hätte das Schicksal mir einen Wolf zum Gefährten bestimmt. Meine Wölfin knurrte. Ich weiß. Ich hab’s ja kapiert. Wir gehen halt nie den einfachen Weg.
»Bestell meinem Vater, dass ich in guten Händen bin«, sagte ich. »Wir haben uns auf alles Erdenkliche vorbereitet.« Ich hatte den Satz gerade zu Ende gesprochen, da erklang hinter mir ein Rauschen wie von einer Sturmböe, die in ein dichtes Blätterdach fährt. Gleich darauf ertönte es ein zweites Mal. Ich warf einen Blick über die Schulter. Die Vampire waren angekommen.
KAPITEL SECHS
W ie Statuen standen Eamon und Naomi, die Vampirgeschwister, auf dem kleinen Hügel hinter dem Parkplatz. Ihre Gesichter schimmerten weiß in der Dunkelheit, als trügen sie emaillierte Masken.
Im Gleichschritt kamen sie auf uns zu. Dabei wirkten sie ebenso selbstbewusst wie wachsam. Mir war vorher nie klar gewesen, dass Vampire wachsam oder misstrauisch dreinblicken konnten. Im Doppelpack aber war es unübersehbar: derselbe Schwung in den skeptisch hochgezogenen Augenbrauen, derselbe angespannte Gesichtsausdruck, dasselbe Stirnrunzeln, derselbe argwöhnische Blick. Aber das war nur logisch. Gezwungen zu sein, wie brave kleine Vampirsoldaten die Befehle ihrer Königin auszuführen und sich dabei auch noch mit Wölfen herumzuschlagen, konnte ihnen nicht gefallen. Ihnen blieb nur die Wahl, dem Befehl zu folgen oder unter Heulen und Zähneklappern, dem Einsatz von Messern, Schwertern und Dolchen und mit reichlich Blutvergießen einen sicher qualvollen und dieses Mal unwiderruflichen Tod zu sterben.
Während sie auf uns zukamen, spürte ich, wie James sich neben mir versteifte. Danny, Tyler und Nick stellten sich in einem Halbkreis hinter mir auf. Es war gegen die Natur von Wölfen und Vampiren, mit der jeweils anderen Art einträchtig zusammenzuarbeiten. Wölfe und Vampire
Weitere Kostenlose Bücher