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Halbmondnacht

Halbmondnacht

Titel: Halbmondnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Carlson
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auch nichts anderes schaffen. Dann war er schlicht ein hoffnungsloser Fall. Ihm ein paar Dämonen vorzustellen stand nicht zur Wahl, und alles andere würde viel zu lange dauern.
    Ich hoffte, meine kleine Schocktherapie hätte den gewünschten Erfolg.
    Ich riss Ray den Knebel herunter und ließ das jetzt nutzlose Geschirrhandtuch auf den Boden fallen. Dann drehte ich ihn um, um seine Handfesseln zu lösen. Es stellte sich heraus, dass das Seil ein Knotenkunstwerk von circa einem Meter Länge war   – hergestellt aus einer Verlängerungsschnur. Herr im Himmel. »Hannon, so klappt das nicht«, sprudelte Ray heraus, kaum dass er seine Sprache wiedergefunden hatte. »Ich habe dich längst durchschaut. Du versuchst mir Angst zu machen. Aber das wird nicht   …«
    Naomi schoss auf uns zu, so schnell, dass sie nur wie ein verschwommener Fleck in der Landschaft wirkte. Genau vor Ray blieb sie stehen. Augenblicklich war mit seiner Unmutstirade Schluss. Auf kurze Entfernung waren ihr auffälliger Teint und das Unheimliche ihrer Gesichtszüge noch eine Ecke eindrucksvoller. Rays Angst, die ihm einen Schweißfilm über die Haut zog, stach mir sofort in die Nase.
    »Selbstverständlich klappt das«, erwiderte ich seelenruhig, als sei nichts Besonderes passiert wie zum Beispiel, dass ihm ein furchterregender Vampir beinahe wortwörtlich auf die Zehen trat. »Nach einem Rundflug per Vampir gibt es sicher nichts mehr, was erklärt werden müsste. Du kommst endlich zur Vernunft, akzeptierst das, was wir dir erzählt haben, als die Wahrheit, willigst in unsere Forderungen ein und rettest dir damit selbst das Leben. Davon haben wir alle etwas. Ich beispielsweise darf mich darauf freuen, dass man mir im Rudel allenthalben auf dieSchulter klopft. Alle werden meine Vorreiterrolle anerkennen, was den verantwortungsbewussten und nachhaltigen Umgang mit menschlichem Leben angeht. Wer konnte denn ahnen, dass alles, was es für dieses Happy End bräuchte, ein kleiner Soloflug mit Vampiren sein würde?«
    »Mi…mich interessiert nicht, wovon d…du da brabbelst«, stammelte Ray. »Werwölfe und Vampire können gar nicht existieren. Das wäre ja wider die Natur. Ich werde auf gar keinen Fall Teil dieses blöden Schei…«
    Blitzschnell beugte Naomi sich vor und fuhr ihre elfenbeinfarbenen Fangzähne aus. Fleisch und Haut ihres Gesichts schienen zu schmelzen und rutschten wie zu warm gewordenes Wachs an ihrem Schädel herab. Diese absolut gruselige Verwandlung hatte ich schon an Valdov und der Königin beobachtet. Wie zum Teufel machten sie das bloß? Ich hatte allerdings nicht vor, Naomi oder ihren Bruder zu fragen und damit die ganze Show zu ruinieren. »Wir existieren, Menschlein«, zischte sie. »Und du tätest gut daran, uns zu fürchten.«
    Blindlings stolperte Ray zurück, nur weg von ihr. In seiner Hast stürzte er. Ich hatte ihn losgelassen, und er landete hart auf seinem Hintern.
    Ich ließ ihn auf dem Boden hocken und beobachtete lieber Naomi dabei, wie sie die entglittenen Gesichtszüge ordnete, bis alles wieder am normalen Platz war. Kaum war das passiert, warf sie mir einen Blick zu, der Bände sprach: Offenkundig war sie stolz auf die Vorführung dieses wirklich furchterregenden Tricks, der fantastisch dazu geeignet war, Menschen Angst einzujagen.
    »Ich beginne gerade, dich zu mögen«, sagte ich ihr und meinte es ehrlich. Das war eine Übernatürliche nach meinem Geschmack, eine mit Chuzpe und der nötigen Courage. Sie hatte keine Anleitung benötigt, um die Lage sofort zu durchschauen. Bei ihrem Bruder sah die Sache anders aus. Er stand immer noch abseits und brütete vor sich hin, die Arme vor der Brust verschränkt wieein bockiges Kind. »Er gehört ganz dir.« Ich nickte Naomi zu. »Wir überqueren die Grenze auf der Interstate und sammeln ihn ein paar Kilometer später wieder ein, irgendwo, wo wir von der Straße runterkönnen.«
    Eamon kam auf uns zu und schnitt ein Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen.
    » Alors , wir nehmen uns des Menschen wie gewünscht an«, verkündete Naomi mir ihr Einverständnis. »Und wir lehren ihn auch gleich das Fürchten.«
    Allerliebst. »Klingt nach einem guten Plan.«
    Die Grenze zu überqueren kostete uns übertrieben viel Zeit. Zwar winkte uns der Grenzschutz nicht heraus, um den Wagen zu durchsuchen, aber man ließ uns eine lange Zeit vor dem Fenster des Grenzhäuschens warten und fragte uns darüber aus, wie wir an unser großartiges Fahrzeug gekommen waren. Tyler hatte

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