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Halbmondnacht

Halbmondnacht

Titel: Halbmondnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Carlson
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seine Stimmbänder von zu viel Schreien in Mitleidenschaft gezogen worden wären. »Keinen blassen Schimmer, wie die das gemacht haben. Aber es war in jedem Fall das Verrückteste, was ich je erlebt habe.«
    »Das beantwortet meine Frage nicht. Willst du damit sagen, dass du jetzt bereit bist, mitzukommen, ohne Wirbel zu veranstalten?« Ich musterte ihn eingehend. Ich konnte die Zahnrädchen in seinem Verstand förmlich rotieren sehen. Der Teil seiner Persönlichkeit, der den logisch denkenden Detective repräsentierte, kämpfte mit dem Teil, der für Skurrilitäten offen war. Sicher hatte er diese Seite seines Hirns seit Kindertagen nicht mehr benutzt. Kinder neigten viel eher dazu, auch Unrealistisches zu glauben; ihre Gehirne waren noch dafür gemacht, alles zu akzeptieren, was ihnen unterkam. Eines war mir vollkommen klar: Ray wollte das Unerklärliche nicht glauben müssen. Aber über dieses Stadium waren wir längst hinaus. »Deine Zeit läuft ab. Wir können nicht so weitermachen wie bisher, und du weißt das ganz genau. Also: Entscheide dich.« Ich erhob mich. »Bist du bereit, auf unsere Bedingungen einzugehen, oder nicht?«
    Langsam setzte Ray sich auf und blickte sich um. Erst traf sein Blick Naomi, dann wanderte er zu mir. »In Ordnung, ich komm ja schon«, sagte er und bürstete sich mit den Fingern den Straßendreck aus dem Haar. »Kommt mir vor, als wäre mein Hirn ordentlich durch die Mangel gedreht worden. Aber ein menschliches Wesen, das ohne Hilfsmittel fliegen kann, na, das ist mal ein Zaubertrick, den ich noch nicht gekannt habe.« Einen Moment lang fixierte er mich, dann senkte er den Blick. »Aber wenn ihr mir etwas aufzwingen wollt, werde ich keinen Moment zögern, mich zu wehren. Nur weil es euch Verrückte gibt, heißt das noch lange nicht, dass ich bereit bin, mitzumachen!«
    »Ray«, stieß ich hervor, nachdem ich frustriert Luft abgelassen hatte, »du machst mich echt fertig! Du kannst kämpfen, klar, so viel und gegen wen immer du möchtest. Aber gewinnen kannst du diesen Kampf nicht. Den Fehler machst du schon die ganze Zeit: Du meinst, du hättest auch nur die geringste Chance gegen uns.« Mit einem ungeduldigen Wink forderte ich ihn auf aufzustehen. »Wenn du das endlich in deinen Dickschädel bekommst, wirst du dir selbst noch dankbar dafür sein. Und es bleibt dabei: Entweder du machst mit, oder du bist ein toter Mann.«
    »Ein guter Kampf ist immer ein Gewinn, Hannon. Nur geborene Verlierer versuchen es nicht.«
    »Ray, ich heiße Jessica. Es gibt keinerlei Grund mehr, bei meinem Alias Hannon zu bleiben.« Mir schien, als sei es bereits eine halbe Ewigkeit her, dass dieser Name etwas mit mir zu tun gehabt hatte.
    Ray rappelte sich hoch. Aber Eamon rauschte herbei und landete genau vor uns, ehe Ray mir antworten konnte. Es war schon faszinierend, zuzusehen, wie er aus vollem Flug eine Punktlandung hinlegte. So viel Energie   – eigentlich hätte es schlimm ausgehen müssen. Stattdessen stand er da wie ein olympischer Turner nach der perfekten Landung vom Reck. Der Asphalt bebte nicht einmal. Man hätte meinen können, die Geschwindigkeit hätte sich in dem Moment, in dem seine Füße den Boden berührten, wie von selbst verflüchtigt.
    Ziemlich cool, das Ganze. So viel musste man ihm lassen.
    »Die Göttin ist in unmittelbarer Nähe«, verkündete er, arrogant wie gehabt. »Ich kann ihre Macht spüren. Wenn sie uns ebenfalls bemerkt, was sehr bald schon geschehen dürfte, wird sie nicht müßig bleiben und einfach darauf warten, dass wir sie angreifen. Wir müssen jetzt vorstoßen und zuschlagen.«
    Mein Augenmerk galt ganz Naomi. Ich hatte beschlossen, mit dem Zwilling zu verhandeln, der der vernünftigere war. »Die Sonne wird schon bald aufgehen. Könnt ihr bei Tageslicht reisen?« Meines Erachtens nicht, aber ich musste zumindest sichergehen und fragen. Vielleicht besaßen ihr Bruder und sie ja Gaben, von denen ich nichts wusste.
    »Non« , antwortete sie. Ihr Akzent war viel deutlicher zu hören als Eamons. Außerdem flocht sie gern französische Vokabeln in ihre Sätze ein. Möglicherweise war das der Grund dafür, dass sie liebenswürdiger und umgänglicher erschien als ihr Bruder. »Wir müssen tagsüber schlafen. Die Ältesten unter uns Vampiren sind in der Lage, Sonnenlicht zu tolerieren. Denn wir werden mit zunehmendem Alter immer mächtiger. Aber mein Bruder und ich sind dafür immer noch viel zu jung.« Die beiden mussten über fünfhundert Jahre alt sein, gemessen an

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