Halbmondnacht
Die Sonne strebte bereits dem Horizont entgegen, und der Himmel über den Kiefern färbte sich blass orangerot, als wir gezwungenermaßen anhielten.
Ich war am Verhungern. Es war ein langer Tag gewesen, Zeit für Pausen Mangelware. »Tja, sieht so aus, als hätten wir das ominöse Ende der Straße tatsächlich erreicht.« Ich drehte den Zündschlüssel nach links, und der Motor erstarb. Wir hatten uns beimFahren abgewechselt, aber ich war immer dann am Steuer gewesen, wenn die Jungs Hindernisse aus dem Weg räumen mussten. »Ich hoffe bloß, das ist die richtige Straße, sonst sitzen wir ganz schön in der Tinte. Hier wieder herauszufinden und uns dann einen anderen Weg hinauf in die Berge suchen zu müssen, würde uns viel zu viel Zeit kosten. Wir würden die Nachtstunden verlieren, in denen wir mit den Vampiren Selenes Fährte aufnehmen können.«
»Es muss die richtige Straße sein.« Tyler stieß die Beifahrertür auf. »Hier entlangzufahren war die einzige logische Entscheidung, die wir treffen konnten.«
»Ich bin froh, dass wenigstens du so zuversichtlich bist«, meinte ich. »Aller schlechten Dinge sind drei, also musste es beim vierten Anlauf eigentlich klappen. Wir sollten jetzt aussteigen und die Rucksäcke mit ausreichend Vorräten bepacken, ehe die Vampire zu uns stoßen. Dann wäre es vielleicht gut, wenn wir Dad über das Sat-Telefon anrufen.« Um geistig mit ihm in Verbindung zu treten, waren wir offenkundig zu weit von ihm entfernt. Keiner von uns wusste so genau, wie diese geistige Kontaktaufnahme eigentlich funktionierte. Nur eines war augenfällig: Wenn wir nicht in unserer Wolfsgestalt waren, war sie nur innerhalb einer gewissen Reichweite nutzbar. Hatten wir hingegen unsere wahre Gestalt inne, stellte sich die Verbindung zum Alpha augenblicklich ein. Nur hatte momentan keiner von uns die Zeit, sich zu wandeln. Sollte das Sat-Telefon wider Erwarten doch nicht funktionieren, könnten wir uns ja immer noch anders entscheiden.
Ich sprang vom Trittbrett, ging nach hinten und öffnete die Ladeklappe, was heißt, ich klappte die Reserveradhalterung zur Seite und hievte die Klappe nach oben.
Tyler schlenderte herbei. »Die Rucksäcke und die Vorräte sind in den grünen Behältern.« Er griff an mir vorbei, wuchtete einen riesigen Container aus dem Laderaum, als wöge er gar nichts, und stellte ihn neben den Hummer auf den Boden.
Mein Magen knurrte. Ich zog die Kühlbox in die Lücke, die Tyler geschaffen hatte. Die Box war aus Metall, absolut überdimensioniert, sicher irgendwas, das US -Militär-Standards genügte, und in der Lage, Dinge ein ganzes Jahr über zu kühlen. Ich hob den Deckel der Box an und spähte hinein. Sie war randvoll mit speziellen proteinreichen Mahlzeiten und Shakes, die wie für unseren Turbo-Metabolismus gemacht waren.
Die Fertigmahlzeiten lagen auf einem dicken Bett aus Trockeneis. Sie vergammeln relativ schnell, hat man sie erst einmal geöffnet. Also war das Eis eine unabdingbare Notwendigkeit. Aber das Zeug, das da als Essen durchging, war, egal ob warm oder kalt, ekelhaft. Durch die durchsichtige Plastikfolie, in die es eingeschweißt war, hatte es eine unerfreuliche Ähnlichkeit mit Hundefutter aus der Dose. Obendrein roch es auch noch so. Als ich noch klein war, hatte ich das Zeug aus Neugier mal probiert. Aber ich hatte es nicht essen müssen, um zu überleben. Hier und jetzt sah die Geschichte ganz anders aus. Und da ich nun, wie mein hungriger Magen meldete, unersättlich nach Nahrung gierte, musste ich das Zeug wohl oder übel in mich hineinschaufeln. Jede Mahlzeit war extra so zusammengestellt, dass sie besonders langsam abgebaut wurde, mithin lange vorhielt und das Hungergefühl über einen langen Zeitraum in Schach hielt. Trotzdem fischte ich in der Box nach einem Proteinshake, der einigermaßen lecker und wegen des Trockeneises schön kalt wäre. An die Fertigmahlzeiten würde ich mich später heranwagen.
Ich fischte also einen Shake heraus und öffnete den Deckel.
Danny kam zu uns herüber. »Falls du nicht sonderlich viel für die Proteinpampe übrig hast, habe ich auch noch ein paar andere Probierhappen mitgebracht.« Er griff in den Laderaum, angelte nach einem großen Navy-Seesack, zog ihn heraus und öffnete ihn. Das Ding war randvoll mit Trockenfleisch, Schokoriegeln und Tüten mit Sonnenblumenkernen.
»Du warst schon immer mein absoluter Lieblingswolf.« Ichschnappte mir ein paar Schokoriegel und warf einen Ray zu, der sich gerade ebenfalls zu
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