Halbmondnacht
fängst«, donnerte ich ihn an, jedes Wort, jede Silbe ein unverkennbarer Befehl. »Stich Naomi mit dem einen Pfeil und dann dich mit dem zweiten. Mach es sofort. Hast du mich verstanden?«
Danny nickte langsam. Während er aufstand, schlug er mit wilden Bewegungen auf die Fledermäuse ein, die an sein Gesicht wollten, alles nur, damit er Augenkontakt mit mir halten konnte.
Ich stand unmittelbar an der Baumgrenze. Als ich einen Schritt hinaustrat, einen einzigen nur, traf es mich wie ein Stromschlag. Eine Warnung, wie sie deutlicher nicht sein konnte: Durch meinen Fuß, das Bein und dann mein Rückgrat hinauf schoss die Energie. Wie hatte Naomi das nicht mitbekommen können? Augenblicklich riss ich meinen Fuß zurück. Die Magie hatte einenwirklich bedrohlichen Unterton. Nie zuvor hatte ich dergleichen verspürt.
Danny hob die Arme, bereit, die Pfeile aufzufangen. In hohem Bogen warf ich ihm den ersten zu. Danny stolperte vorwärts, um den Pfeil zu erwischen, und schaffte es, ohne dabei die Phiole mit dem Zauber zu zerbrechen. Er schloss die Faust um den Pfeil, und ich warf den zweiten. Als er beide in der Hand hielt, schrie ich: »Los! Du musst zuerst Naomi mit einem Pfeil stechen, dann dich selbst. Tu es jetzt, sofort!«
Unbeholfen und mit einiger Mühe drehte er sich zu Naomi um und kniete sich dann neben sie. Unmengen geflügelter Teufel bedeckten ihren Oberkörper. Danny pflückte sie von ihrem Bauch und rammte Naomi den Pfeil ins Fleisch.
Sie bäumte sich auf, nur ein einziges Mal, dann lag sie wieder still und starr auf dem Rücken.
Dann bohrte sich Danny den zweiten Pfeil geradewegs durch eines der kreischenden Viecher hoch oben auf seinem Bein in den Oberschenkel. Keine Sekunde später erstarrte er, fiel steif wie ein Brett auf Naomi und rührte sich nicht mehr.
Blau stand also dafür, zum Eisblock zu erstarren.
Einen Lidschlag später ließ die Höllenbrut bereits von ihnen ab. Die Biester krampften einmal, ehe sie steif gefroren zu Boden fielen.
»Himmel noch eins, es funktioniert! Komm, wir greifen uns die beiden«, rief ich und zog Tyler am Arm. »Eamon meint, die Wirkung hält nicht lange vor.«
Ich wollte losstürzen, wurde aber ein weiteres Mal zurückgerissen. »Tyler, verdammt, lass das endlich!« Wütend wandte ich mich zu ihm um. Meine Augen sprühten Funken. »Ich bin kein Kind mehr, und du verschwendest hier echt kostbare Zeit!«
»Zum Teufel, ich lasse dich nicht da raus«, knurrte er. »Mein Job ist es, dich zu beschützen. Dafür hast du mich angeheuert, und das ist, was ich verdammt noch mal auch tun werde! Haltenoch einen Zauberpfeil für mich bereit. Ich hol die beiden zurück in den Wald, und wenn diese verfluchten Biester sich an mich hängen, treibst du den Pfeil in mich rein.«
Er rannte los, ehe ich überhaupt Zeit hatte, etwas gegen seinen schicken Plan vorzubringen. Genau genommen, hatte ich ihn gar nicht angeheuert; das hatte mein Vater getan. Dennoch hatte Tyler recht: Um mich zu beschützen, war er mitgekommen, und weil er mich liebte. Kaum dass er den ersten Schritt aus dem schützenden Wald hinausgetan hatte, umschwärmten ihn bereits die geflügelten Teufel, die nicht dem Kältezauber erlegen waren. »Tyler«, brüllte ich, »bleib bloß in Bewegung!« Ich legte so viel Kraft und Macht in meine Stimme, wie ich konnte. Ich hatte keine Ahnung, ob ich damit auf ihn eine ähnliche Wirkung erzielen konnte wie zuvor auf Danny. Aber ein Versuch konnte nicht schaden.
Tyler rannte zu Naomi und Danny hinüber, zog die Vampirin unter seinem Freund hervor und warf sie sich über die Schulter. Dass sie steif wie ein Brett war, machte ihm das Ganze trotz seiner Körperkraft nicht gerade leicht. Dann bückte er sich zu Danny hinunter und packte ihn am Arm. Umstandslos zog er seinen Freund hinter sich her. Mit fliegenden Fingern fischte ich den nächsten Pfeil aus dem Futteral, dieses Mal den einzigen gelben. Bereit sofort zuzustoßen, hielt ich ihn in der geballten Faust, da kehrte Tyler auch schon in den Schutz der Bäume zurück.
Vor Eamon ließ er Naomi von der Schulter rutschen. Ohne einen Ton zu sagen, fing der Vampir seine Schwester auf. Er hatte keinerlei Mühe damit. Tyler aber fiel neben Danny auf die Knie, keine Sekunde, nachdem er Naomi bei ihrem Bruder abgeliefert hatte. Die wenigen Höllen-Fledermäuse, die an ihm hingen, ließen von ihm ab und reagierten seltsam wirr. Sie rissen die blutverschmierten Mäuler auf und japsten nach Luft. Aber keiner der geflügelten
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