Hale 1 Piraten der Liebe
widerfahren war. Der Ruf, vergewaltigt worden zu sein, war vernichtend. Man hatte ihr beigebracht, daß all ihre Hoffnungen auf eine brillante Heirat beziehungsweise auf jegliche Heirat in diesem Fall verloren wären. Im England der Königin Victoria war eine unreine, unverheiratete Frau automatisch eine Hure. Die Umstände, unter denen eine Frau ihre Unschuld verloren hatte, machten da nicht den geringsten Unterschied.
»Ich verstehe. « Die Augen der Frau betrachteten Cathys Gesicht eindringlich, aber in ihnen war kein Unglaube. Innerlich atmete Cathy erleichtert auf.
»Wo haben sie dich hingebracht, Kindchen? «
»Ich - ich - der Kapitän war so freundlich, mir seine Kabine zur Verfügung zu stellen. « Das war durchaus nicht gelogen. Sie durfte Jons Kabine benutzen. Es ging niemanden etwas an, welchen Preis er von ihr für dieses Privileg verlangt hatte.
»Das war sehr zuvorkommend von ihm. Ich muß zugeben, daß ich überrascht bin. Wahrscheinlich erinnerst du ihn an eine kleine Schwester oder auch an seine Tochter. Sogar Halsabschneider haben ihre weichen Stellen, nehme ich an. «
»Ja, ja, ich bin sicher, das ist es. « Cathy fühlte sich immer unbehaglicher. Ihre Scham mußte ihr förmlich auf der Stirn geschrieben stehen. Schnell wechselte sie das Thema. »Sagen Sie, Eure Hoheit, wie geht es Ihnen und Mr. und Mrs. Grady? «
Die Duchesse sah bedauernd an dem schmutzigen Kleid, das ihren mittlerweile knochigen Körper bedeckte, herunter. »Für uns waren die Dinge nicht so gut, wie du sehen kannst. Aber wenigstens leben wir, und ich nehme an, wir müssen Gott dankbar dafür sein. Diese Piraten denken sich normalerweise nichts dabei, unschuldige Menschen einfach umzubringen. Sie sind eine brutale, gesetzlose Bande. «
»Da haben Sie in der Tat recht, meine Dame. Wir sind brutal und gesetzlos. «
Cathy machte einen Satz, als Jons Hand hart an ihre leicht bedeckte Schulter griff. Sie hätte es sich denken können, daß er hinter ihr herkommen würde. Sein arroganter Stolz hätte es ihm niemals erlaubt, ihren Ungehorsam vor den Augen der Mannschaft durchgehen zu lassen. Die Frage war, ob er sie laufenlassen würde? Sie warf ihm über ihre Schulter einen unbewußt flehentlichen Blick zu und versuchte, sich unauffällig seinem Griff zu entziehen. Zu ihrem Erstaunen ließ er sie gehen.
»Ich freue mich, daß Sie das erkennen, junger Mann. Wenn Sie an Ihrem gegenwärtigen Lebensstil festhalten, werden Sie sicherlich irgendwann hängen. « Die Stimme der Duchesse war voller Verachtung. Jons Mund wurde hart, und Cathy hatte plötzlich Angst um die alte Frau.
Er war nicht in der Stimmung, Unverschämtheiten einfach so in Kauf zu nehmen.
»Zweifellos, meine Dame.« Cathy entspannte sich, da Jon nur mit einer leichten Ungeduld in der Stimme antwortete. »Aber meine Männer und ich ziehen es auf jeden Fall vor, zu hängen, anstatt zu verhungern.«
Die Duchesse starrte Jon eisig an. Sie war eine alte Frau, deren Leben sich sowieso dem Ende neigte. Sie fürchtete den Tod nicht, aber wollte ihn auch nicht gerade einladen. Dieser Mann war ein Pirat, und genaugenommen war Mord sein Beruf. Also nahm sie die Unfreundlichkeit in ihrem Ton etwas zurück.
»Lady Catherine teilte mir mit, daß ihre Unterbringung etwas besser ist als unsere. Dafür bin ich Ihnen dankbar. Sie ist immer noch sehr jung, und es wäre grauenvoll, wenn man ihr etwas antäte.« Ihre Worte waren eine unmißverständliche Warnung an Jon. Cathy schluckte nervös. Sicher würde er sie nicht bloßstellen! Er würde dadurch doch nichts gewinnen.
»Wie Sie sagen, sie ist sehr jung«, antwortete er langsam mit ausdruckslosem Gesicht. »Ich dachte, es wäre das beste, sie außer Gefahr aufzubewahren. Was die Unannehmlichkeiten Ihrer Unterbringung betrifft, tut es mir wirklich sehr leid. Sie müssen wissen, daß die >Margarita< kein Vergnügungsdampfer ist.«
»Das ist offensichtlich, junger Mann. Wann dürfen wir damit rechnen, freigelassen zu werden?«
»Das wird sobald wie möglich arrangiert, wenn wir einen Hafen erreicht haben. Wahrscheinlich in ungefähr zehn Tagen.«
»Ich versichere Ihnen, Kapitän, daß es uns nicht schnell genug gehen kann.«
»Das glaube ich wohl. Und nun müssen meine Männer wieder zu ihren Pflichten zurückkehren, meine Dame.
Wenn Sie bereit sind, wird man Sie nach unten begleiten. «
»Sicher«, sagte die Duchesse grimmig und wandte sich unverzüglich ab, um nach unten zu gehen.
Ein Seemann, der die Gefangenen
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