Hale 1 Piraten der Liebe
lustig gemacht. Sollten sie doch denken, was sie wollten! Sie dachte gar nicht daran, sich vor einer Bande von Piraten zu schämen!
Jon machte plötzlich ein finsteres Gesicht. Er hatte erst jetzt den vollen Glanz ihres Kleides, das tief ausgeschnitten und so dünn wie die Luft selbst war, erblickt. Cathy sah ebenso finster zurück. Wie konnte er es zulassen, daß seine Männer sie zum Objekt ihrer verdorbenen Witze machten! Sie starrte ihn hochmütig an, während sie die hölzernen Stufen, die auf das Achterdeck führten, erklomm. Er sah hart und wütend aus. Seine Beine waren fest gegen das Deck gestemmt, um ihn auf dem ununterbrochen schwankenden Schiff aufrecht zu halten. Seine Hände lagen auf der Reling. Der Wind hatte sein dunkles Haar zerzaust. Er trug ein weißes Hemd, das bis zur Hüfte offenstand und seine schweißnasse Brust dem Wind aussetzte. In seinem Gürtel, der über der trainierten Taille lag, steckten Pistolen und ein langes Messer. Seine langen Beine steckten in engen, schwarzen Hosen. Im stillen war Cathy dankbar, daß er nicht ganz so furchteinflößend aussah wie in dem Moment, als er sie von der >Anna Greer< mitgenommen hatte. Sie wäre hoffnungslos verängstigt gewesen!
»Du siehst aus wie ein Pirat«, beklagte sie sich, als sie zu ihm auf das Achterdeck trat.
»Ich bin einer«, antwortete er kurz. »Eine Tatsache, die du nicht vergessen solltest, Süße, oder ich bin gezwungen, dich daran zu erinnern.«
Diese kurze Warnung brachte Cathy zurück in die Realität. Die Freundlichkeit an diesem Morgen und seine leidenschaftliche Liebe in der Nacht zuvor! Sie war sich sicher gewesen, daß er ihr bald aus der Hand fressen würde. Plötzlich schien das nicht mehr so klar zu sein. Er hatte viele Frauen gehabt. War ihr zweifellos wunderbarer Körper stark genug, um ihr die Oberhand in dieser Beziehung zu geben? Sie wußte es nicht. Aber es war der einzige Trumpf, den sie in der Hand hielt, und es blieb ihr nichts anderes übrig, als ihn auszuspielen.
Sie lächelte kokett zu ihm hoch, bemerkte aber, daß seine Aufmerksamkeit gar nicht auf sie, sondern auf einen weit entfernten Punkt am Horizont gerichtet war.
»Hältst du nach meinen Rettern Ausschau?« stichelte sie.
Er sah sie nur kurz und ausdruckslos an und blickte dann wieder in eine andere Richtung.
»Deine Retter, wie du sie nennst, haben uns im Sturm verloren. In den letzten Tagen kam kein Zeichen mehr von ihnen. Außerdem hat die >Margarita< in der Zwischenzeit einen völlig anderen Kurs aufgenommen, und es ist nicht wahrscheinlich, daß ich dich auf so zufriedenstellende Weise loswerde.«
»Wenn du mich unbedingt loswerden wolltest, warum hast du mich dann in der ersten Nacht nicht in einem dieser kleinen Boote abgesetzt? Ich bin sicher, daß mich die königliche Flotte mit Vergnügen aufgefischt hätte.«
»Ja, aber ich konnte dich in dieser ersten Nacht sehr gut gebrauchen.« Der teuflische Blick in seinen Augen sagte Cathy deutlich, was er damit meinte. Ihre Wangen wurden wieder rot, und sie blickte sich schnell um, ob irgend jemand in der Nähe war, der sie gehört haben könnte. Da waren nur Harry und ein älterer, dicker Seemann, und beide waren verbissen auf ihre Arbeit konzentriert. Etwas in ihrem Gesichtsausdruck wies jedoch darauf hin, daß sie die Unterhaltung zwischen ihr und Jon mit größtem Interesse verfolgten. Cathy war sich sicher.
»Ich bemerke, daß es dich gar nicht interessiert, welches Schicksal deine befreundeten Gefangenen teilen.«
Sie richtete ihren Blick wieder auf ihn.
»Ich - warum - natürlich interessiert es mich«, sagte sie mit schlechtem Gewissen. In Wahrheit war sie viel zu sehr mit ihrer eigenen Sicherheit beschäftigt gewesen, um sich Gedanken um die anderen ihr ziemlich fremden Menschen zu machen. Aber Jon mußte das ja nicht unbedingt wissen. »Ich nahm doch an, daß du vorhast, eine Menge Geld von ihren Verwandten zu erpressen und daß du in deinem eigenen Interesse für ihre Sicherheit sorgst. War das falsch?«
»Nicht falsch, mein Kätzchen«, knurrte er, »nur ein wenig zu spitz. Das würde so manchem leid tun.«
Cathy war wegen der plötzlichen und unerklärlichen Veränderung in seinem Verhalten ihr gegenüber völlig konsterniert. Was war nur mit ihm los? Sie hatten sich nicht gestritten. War er aus irgendeinem Grund, den sie nicht kannte, wütend auf sie? Nun, sie würde nicht nachgeben! Egal, was er machte!
»Tun Sie, was Sie für nötig halten, Kapitän«, sagte sie kalt.
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