Hallo, Fräulein!: Winterzauber (German Edition)
trifft,
dann erkennt man ihn nicht!
(Nacer Khemir)
Tick, tack ... tick, tack ... und der vermaledeite, fatale Viertageszeitraum ist definitiv abgelaufen! Vier endlose Tage voller Zuversicht, Glück verheißender Erwartung und Sehnsucht sind jetzt offiziell verstrichen. Vier ultimativ lange Wochentage sind irgendwo zwischen der Arbeit, dem Shopping, dem Fernsehabend, der Weihnachtsfeier, meinem unruhigen Schlaf und der Hoffnung versunken! Die Sekunden, die Minuten, die Stunden sind ohne den erwünschten und herbeigesehnten Anruf von Francesco geblieben!
Ich habe mir etwas vorgemacht! Ich bin bestimmt hundertmal diesen einen gemeinsamen Abend durchgegangen. Ich habe mich dabei ertappt, dass ich dabei immer mehr Details von unserem geführten Gespräch auf die goldene Waagschale gelegt habe und danach habe ich sorgfältig abgewogen! Vielleicht hatte ja Francesco irgendetwas Banales gesagt oder beiläufig erwähnt, was darauf schließen hätte lassen können, dass er ohnehin kein Interesse an meiner Wenigkeit hatte. Aber sosehr ich mich auch abmühte, eine Erklärung für seinen nicht getätigten Anruf zu finden, mir fiel einfach keine ein. Eventuell hätte ich zur Zeit unserer Verabschiedung schon meine untrüglichen, weiblichen Antennen ausfahren sollen, meine viel gerühmte Intuition auf den Plan rufen, dann hätte ich die Viertagesfrist, die so eisern an meinen Nervensträngen gezerrt hat(ich habe bislang noch nie so vehement auf mein Handydisplay geachtet, wie in diesem Zeitraum!), gar nicht erst durchstehen müssen.
Nun, da verabschiedet sich nun meine imaginäre Märchenwelt und mein eventueller Traumprinz (falls es diesen wirklich geben sollte, was ich nun wieder stark bezweifle) dankt dabei ebenso sang- und klanglos ab. Alles zerplatzt im Nu wie eine zerbrechliche Seifenblase!
Im Nachhinein betrachtet war der nächste Arbeitstag ein Abklatsch meiner chaotischen Gefühlswelt.
An dem verhängnisvollen Tag hatte unser Küchenchef einen Knurrhahn mit Petersilkartoffeln als aktuelles Tagesangebot offeriert. (Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass ich heute ausnahmsweise extrem pünktlich im Coffee-Shop erschienen bin. Die Nachwehen der unruhigen Nacht von Mittwoch auf Donnerstag waren bei meiner Psyche und meiner labilen Körperschaft leider nicht ganz spurlos vorübergegangen! Der Schlafmangel ließ und ließ sich einfach nicht einholen, sosehr ich auch darum bemüht war.)
Demnach reichte auch die Zeit, um die Tageskarte näher in Augenschein zu nehmen, nicht mehr aus. Ich bin sogleich blindlings und tapfer in mein Reservat gestapft.
Auch an diesem Freitag hatte sich wieder unsere klassische Kundschaft angemeldet! Frau Escher hatte ihr Erscheinen um 12.30 Uhr angekündigt. Frau Planzel, eine angenehme Erscheinung Mitte sechzig, war bereits eingetroffen und wartete darauf, mich in ihre opulenten Speisewünsche einweihen zu können.
»Guten Tag, Frau Planzel! Haben Sie schon etwas ausgewählt?«
»Vorneweg eine Frage: Was darf ich mir unter einem Knurrhahnfilet vorstellen?«, fragte sie mich.
Tja, ich hatte leider nicht die geringste Ahnung, wovon Frau Planzel da sprach, aber ich musste irgendwie meine diesbezügliche Unwissenheit lässig überspielen! Was sollte ein Knurrhahn schon recht viel anderes sein, als ein ...
»Das ist ein Hühnchenfilet«, antwortete ich ihr blitzschnell.
»Oh, gut. Dann nehme ich das Drei-Gang-Menü.«
Flugs deckte ich bei ihr ein, um danach sofort das geforderte Menü in den Computer eingeben zu können! Spätestens bei der Boniermaschine, wo die aktuelle Tageskarte exorbitant vor einem prangte, hätte mir mein fataler Irrglaube auffallen müssen, aber nein, mein Augenmerk richtete sich schnurstracks auf die Tastatur und ich beachtete den Tagesauszug mit keinem Wimpernschlag! Ohne weiter über das Knurrhühnchen nachzudenken, rief ich Marlene zu mir, um sie sogleich mit der Servierung der Kürbiscremesuppe betraut zu machen. So weit, so gut!
»Sagt mal, was fischelt denn hier so immens?«, wollte ich von Bernadette und Isabella wissen.
»Na, der Tagesfisch.«
»Phuuuu ... der mieft ganz schön!«, entwich es mir und ich fächerte mir daraufhin frische Luft zu.
Tja, ein wahrhaft schlauer und vor allem überlegter Mensch wäre wohl an dieser Stelle hellhörig geworden. Bei den demonstrativen Stichwörtern: Freitag (offizieller Fischtag), Tagesfisch und dem widerlichen Gestank nach Fisch, der den sonst noblen Coffee-Shop unaufhaltsam in einen
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