Hallo, Fräulein!: Winterzauber (German Edition)
südländischen Fischmarkt tränkte!
Aber ... nein, nein, nein ... ich schnallte es einfach nicht!
»Ach, Amelie! Die Hallers haben gerade eben angerufen und um IHREN Tisch gebeten«, erklärte mir Bernadette. »Aber ich hab’ ihr gesagt, dass der leider schon vergeben ist und dass auch keine Hoffnung besteht, dass er in Kürze frei wird«, fügte sie noch rasch an.
»So ein Pech aber auch!«
»Freu dich nicht zu früh. Sie kommen trotzdem und nehmen, da sie sich so kurzfristig entschlossen haben, in der Stadt zu essen, irgendeinen anderen Tisch im hinteren Bereich.«
»Ich komm’ wohl nicht drum rum, oder?«, stellte ich fest.
»Ich befürchte, so ist es!«
»Wann naht mein Glück?«, fragte ich nach.
»Sie wollten um drei viertel eins eintrudeln!«
»Tja, dann bleibt mir eigentlich nur noch die Hoffnung, dass sie sich verspäten!«
(Hier gilt die goldene Regel: Wer fünf Minuten über der Zeit ist, hat schlichtweg Pech gehabt. Die Gäste stehen schließlich Schlange und lästige Verzögerungen würden das Geschäft nur unnötig mindern.)
Ich schnappte mir ein Reservierschild, kritzelte deren Namen darauf und dann ging’s ab damit zu dem letzten verfügbaren Tisch, der an Unbequemlichkeit nicht zu überbieten war, da er zentral in der Mitte des Raums prangte und damit in keiner schützenden Nische einlogiert war.
»Amelie!«, rief mir Marlene, die ein wenig verzagt wirkte, als sie mir mit einem Teller in der Hand entgegentrabte, zu!
»Ja?«
»Frau Planzel behauptet felsenfest, dass sie bei dir ein Hühnchen bestellt hat!«, erklärte mir Marlene, währenddessen ich den Fisch, den sie mir präsentierte, betrachtete.
»Ja, sie hat den Knurrhahn bestellt«, rechtfertigte ich Frau Planzels Aussage.
»Tja, das hier ist der Knurrhahn«, klärte mich Marlene grinsend auf.
»Scheibenkleister, aber nicht wirklich!«
Und so ging’s im Viertelstundentakt weiter: Zuerst entschuldigte ich mich bei Frau Planzel für meine fatale Fehlinterpretation vom Knurrhahn. Danach schlich ich bekümmert in die Küche und fabrizierte - in Zusammenarbeit mit unserem freundlichen und äußerst flexiblen Küchenchef -, da Frau Planzel überhaupt keine Fischfanatikerin war, den Menüvorschlag ein klein wenig um.
12:30 Uhr: Frau Escher betrat die Lokalität (leider erschien sie überpünktlich).
Heute war sie beinahe rekordverdächtig. Ihren Slogan »Ich kann heute überhaupt nichts entdecken, was ich essen dürfte!« hat sie bereits wenige Sekunden nach ihrer Ankunft auf mich losgelassen!
Ich war heute ein überaus lästiger Dauergast in der Küche und beschäftigte die Küchenbrigade an allen Ecken und Enden mit sämtlichen Umbestellungen! (Suppe, Hauptgericht, Salat und Dessert!)
12:45 Uhr: Shit! Auch die Hallers sind pünktlich! Na ja, was soll’s! Ich war bis dahin ohnehin ein Konfliktbewältigungsgenie!
»Guten Tag, Frau Haller! Guten Tag, Herr Haller!«, entgegnete ich den herannahenden Herrschaften freundlich.
»Wie heißen Sie gleich noch mal?«, herrschte mich daraufhin die Furie sauertöpfisch an.
»Amelie!«
»Hören Sie jetzt mal gut zu, Frau Amelie! Mein Mann und ich sind beiderseits Doktoren und wir wollen auch dementsprechend angesprochen werden! Ist das zu viel verlangt?«
(Die banale Titelgeilheit in diesem Land ist einfach unbegreiflich! Bei einer telefonischen Reservierung geben einem die gewichtigen Herrschaften zuerst ihren imponierenden und ewig verehrenswerten Titel an: Diplomingenieur, Doktor, Professor, Primar, Direktor, et cetera. Sie sind doch tatsächlich der Meinung, dass sie dadurch einen schicklicheren Tisch ergattern würden.)
»Kein Problem, Frau DOKTOR!«
»Na bitte, geht doch! Und wo ist jetzt UNSER Tisch?«
»Gleich hier«, antwortete ich ihr zuckersüß und deutete dabei liebevoll auf den ungastlichen, verwaisten Tisch in der Mitte des Raumes.
»Diesen Katzentisch haben Sie uns zugedacht? Das kann doch wohl nicht ihr Ernst sein!«
»Tja, Frau DOKTOR! Ein anderer ist bedauerlicherweise nicht frei.«
»Das wollen wir doch mal sehen!«, bemerkte sie scharfzüngig und schritt auf IHREN Stammtisch zu, um jene vier Herrschaften, die gerade ihr Hauptgericht vertilgten, aufzuscheuchen: »Verzeihung, aber ich habe diesen Tisch um zwölf Uhr fünfundvierzig reserviert! Wären Sie also so freundlich und würden sie uns hier Platz machen!«
»Nein, so freundlich wären wir nicht«, entgegnete einer der Herren höflich, aber bestimmt.
»Das ist ja wohl die Höhe!«, kreischte
Weitere Kostenlose Bücher