Halloween
sich zu erinnern, wie ihr Leben damals war – was sie in dem Augenblick getan hat, als das Foto gemacht wurde. Sie war im Unterricht. In der Bücherei. Ist gedankenlos irgendwohin gefahren. Es ist unmöglich, als könnte sie das Gefühl jener verlorenen Tage zurückrufen, die muffige Museumsluft atmen.
Sie kennt noch ein paar andere Gesichter auf der Seite, erinnert sich an Namen, doch die scheinen ebenso der Vergangenheit anzugehören wie die Highschool selbst, noch da, aber kein Teil ihres Lebens mehr (der Schwimmclub, der Radweg auf der alten Bahnstrecke, auf dem sie immer gefahren sind). Nur Tim kommt noch zu ihnen und Noel, der Briefträger, zuverlässig wie ein Metronom. Sie trifft ihre alten Freundinnen in der Bücherei, und sie unterhalten sich über den Tresen hinweg, erzählen sich harmlosen Klatsch und empfehlen sich Bestseller, aber nur selten lädteine von ihnen sie ein. Lange fand sie es nicht einmal richtig, eine Einladung zum Mittagessen anzunehmen – es war einfach zu früh, sie hatte zu viel zu tun –, und sie denkt, dass ihre fast ausschließliche Beschäftigung mit sich selbst ihre Freundinnen wahrscheinlich für immer vertrieben hat.
Kyle. Sollte sie nicht etwas für ihn anfertigen? Oder würde das etwas über sie verraten, das sie lieber nicht offenbaren würde?
Sie blättert weiter zu Tim, dem Glückspilz. Verschont. Aber auch mit ihm ist eine Veränderung vorgegangen. Er ist noch immer der nette, stille Junge von damals, doch jetzt wirkt er herausgehoben, abgesondert, reifer, seiner Jugend beraubt. Auch er wird nie mehr derselbe sein. Keiner von ihnen.
(Achte darauf, dass sie kaum an uns denkt, diejenigen, an die sie erinnern will, zu weit weg, als dass wir ihr Mitgefühl verdient hätten. Der Klebstoff trocknet auf unseren Hinterköpfen wie Blut.)
Sie nimmt einen schlichten Kranz aus Weinreben, probiert aus, ob er groß genug ist, und durch die Öffnung sehen wir drei aus wie in einem Schaukasten. Nicht perfekt, aber gut genug – der andere ist zu leicht. Ein Klebstofffaden spannt sich wie ein Netz von der Aluminiumtortenplatte bis zur Spitze der Spritzpistole, bis sie ihn mit dem Finger durchtrennt. Um dem Ganzen den letzten Schliff zu geben, fügt sie noch eine schwarze Samtschleife hinzu, dann ist sie mit den Farben zufrieden. (Trauer von Martha Stewart. Kyle würde mit dem Wagen anhalten, den Kranz mit dem Fuß in den Wald befördern und dann drauf rumtrampeln.) Sie kann sich nicht entscheiden, ob sie ihn dort lassen oder wieder verwenden, ihn nur für diesen Tag aufhängen und ein alljährliches Ritual daraus machen soll. Es ist schon eine Öse zum Aufhängen daran befestigt; sie braucht bloß noch einen Haken, den sie in den Baum schrauben kann. In einem Fach findet sie einen silbernen.
(Und voilà, schon sind wir unsterblich.)
Brooks macht sich zum Abendessen Eier mit Cornedbeef-Haschee aus der Dose, das aussieht wie Hundefutter. Das ist alles, was er dahat. Ginger und Skip beobachten, wie er sich barfuß den Wetterkanal anschaut, wie er kaut, während die Wetterkarten vorbeiziehen, eine kalte Dose Bud trinkt, damit er besser einschlafen kann. Es ist ein beruhigendes Ritual; wenn er die ganze Nacht Dienst hatte, kann er nicht mehr Aufregung vertragen. Die anderen Sendungen plappern ihm die Ohren voll, das hier versteht er auch ohne Ton. In den Rockies ist schon Schnee gefallen, am Loveland Pass hat sich der Anhänger eines Lastwagens quer gestellt. (Und ab – die schaurige Musik, die toten Jugendlichen, die direkt neben ihm auf dem Sofa sitzen.
Aber wir sind ständig mit dem verdammten Brooksie zusammen. Er gehört zu unserer Clique, noch ein Versager, bloß älter, einer, der immer wieder durch die Prüfung fällt.
Diese Scheiße macht mich hungrig, sagt Toe.
Das ist so übel, sagt Danielle. Ich hasse es herzukommen, dieses Haus ist mir nicht geheuer.
Es ist nicht schmutzig, Brooks ist erfolgreich im Kampf gegen die Hundehaare. Sie meint, wie kahl alles ist, wie unbewohnt, wie bei den Häusern, die wegen der Atombombe draußen in der Wüste gebaut wurden. Weil es zum Verkauf steht, versucht Brooks, sich auf das hintere Schlafzimmer zu beschränken, aber selbst da sind seine Sachen weggepackt, ist alles auf Hochglanz gebracht. Vielleicht klappt’s ja, denn Charity hat einen Zettel neben das Spülbecken gelegt, auf dem steht, dass diese neuen Leute, ein aus Virginia versetztes Paar mit Kindern, es anscheinend ernst meinen. Dieses Lied hat Brooks schon ein dutzend
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