Halloween
Dienstbesprechung übersteht. Er muss tanken – heute Nacht wird er ein paar hundert Kilometer zurücklegen. Er guckt in die Spiegel und über die Schulter, wartet mit dem Aussteigen, bis er sicher ist, dass niemand da ist. Er wird sich seines Verfolgungswahns bewusst, schließt den Pickup ab, nimmt dann das nasse Bündel Post von der Pritsche und wirft es in den Müllcontainer, hinten in die dunkle Ecke, wo niemand es sehen kann.
Drinnen kann er sich nicht verstecken, vor dem Dienstplan muss er zu Eisenmann «Hallo» sagen.
«Ich liebe diese Doppelschichten», sagt Eisenmann, und Brooks glaubt, einen falschen Unterton in seiner Stimme zu hören, als hätte Brooks diese Extraschicht nicht verdient. Als er in Eisenmanns Alter war, wären Doppelschichten für ihn nicht drin gewesen; das blieb den dienstälteren Kollegen vorbehalten. Und jetzt macht ihm dieses Jüngelchen Vorwürfe.
Der Chef ist da – der Chef ist immer da –, und Brooks macht einen Umweg (wie wir, wenn wir vor Hook abgehauen sind). Brooks schleicht sich in den Umkleideraum, geht zu seiner Reihe,und da steht Saintangelo und knöpft seine Manschetten zu – ertappt.
Er sieht Brooks, reagiert aber nicht, eine Abfuhr.
«Was ist los?», fragt Brooks.
Sandy konzentriert sich auf seine Handgelenke, und Brooks denkt, dass er geliefert ist. «Ich konnte nicht lügen», sagt Saintangelo schließlich.
«Darum hab ich dich auch nicht gebeten.»
«Ich hab alles so aufgeschrieben, wie es sich abgespielt hat.»
«Gut», sagt Brooks – du kannst mich auch mal. Oder sagt Sandy ihm das, weil er ein schlechtes Gewissen hat? Brooks weiß, dass er selbst schuld ist, aber er wünscht sich, er könnte Sandy die Schuld geben, obwohl der ihn gerettet hat. «Ich hab Mist gebaut. So was kommt vor.»
«Nein. Vielleicht bezieht man mal Prügel, aber man verliert nicht seine Waffe.»
«Ich hab die Lage falsch eingeschätzt.»
«Zwei Betrunkene, die auf einem Parkplatz die öffentliche Ordnung stören. Deine Unterstützung schon unterwegs.»
«Und?», sagt Brooks und merkt, wie lahm das klingt.
«So blöd bist du doch nicht. Du brauchst Hilfe.» Er sieht Brooks fest in die Augen, damit der weiß, dass er’s ernst meint (und dass ihm die Sache zwischen ihnen wirklich peinlich ist), wirft die Bombe ab und verschwindet.
Wieder allein, würde Brooks am liebsten mit ihm streiten, ihm sagen, dass er weiß, wie nachlässig er war, dass er nicht viel geschlafen hat, aber nicht mal er glaubt diese Ausreden. Und Sandy gibt ihm eine Chance; er hätte es sofort dem Chef sagen oder eine Beschwerde bei der Gewerkschaft einreichen können. Brooks sollte dankbar sein, dass es bloß eine Warnung ist.
Er zieht seine Uniform an, ist schon müde. Der Bericht kann nicht so schlimm sein; sonst wäre er nicht hier. Der Chef wird ihn zu sich rufen, ihm sagen, er soll sich setzen. Nachlässigkeit,schlimmstenfalls ein Verweis und wie immer, unausgesprochen im Zentrum der Auseinandersetzung, der Grund, warum alles falsch gelaufen ist – wir.
Als Brooks seine Taschen füllt, findet er Charitys Karte in einem Bündel Geldscheine und fragt sich, ob sie wohl noch in ihrem Büro ist. Er kann sich nicht mit dem Gedanken abfinden, das Haus zu verkaufen und dabei nichts rauszukriegen. Auf kurze Sicht ist es sinnvoller, es zu behalten. Auf lange Sicht stehen seine Chancen sowieso nicht gut.
Die Dienstbesprechung dauert länger, als sie sollte. Brooks fragt sich, ob die Jungs von der Spätschicht schon Bescheid wissen. Sie sitzen in der ersten Reihe, wie die klugen Kinder im Klassenzimmer. Er sitzt ganz hinten, wie ein Besucher, macht sich auf seinem Klemmbrett Notizen und wirft Saintangelo verstohlene Blicke zu, aber der sieht ihn nicht an. Der Chef sagt, sie sollten sich auf ein Unwetter einstellen. Das sind gute und zugleich schlechte Nachrichten. Der Regen wird die dunklen Geschäfte einschränken, aber der Pendlerverkehr wird die Hölle sein. Die Spätschicht wird sich an ihre normalen Aufgaben halten, Saintangelo hat keine feste Zuordnung, das heißt, dass Brooks Verkehrskontrollen machen muss. SNET arbeitet drüben in der Lovely Street an den Leitungen; da braucht ihn der Chef, bis alles fertig ist. Das ist eine Beleidigung, ein Job für einen Babysitter, mit einer Plastikduschhaube über der Mütze im Regen stehen und die Leute mit einem Blinklicht durchwinken.
«Das wär’s», sagt der Chef. «Auf geht’s. Brooks, in mein Büro.»
Es gibt kein leises Uuuh wie in der Schule, aber
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