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Halloween

Halloween

Titel: Halloween Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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Kram, an Druiden und offene Feuer, an Opfergaben für die Erntegötter erinnert sich keiner mehr. Hier nimmt das niemand so ernst. Wie kann man sich vor Charlie Brown und dem «Monster Mash» fürchten? Es ist nur Spaß, ein Grund, sich zu verkleiden und das wirkliche Leben einen Abend lang zu vergessen, ein Spiel, bei dem man so tut, als ob. Also los.
    Tun wir so, als würde keiner jemals sterben.
    Tun wir so, als würde das keiner wollen.
    Die Dämmerung kommt rasch, theatralisch. Das Grau wird dunkler, der Abend füllt die Bäume aus. Kutschenlampen gehen an, Fenster leuchten. Es ist nicht mal fünf Uhr, und die Spannung ist riesengroß. Es herrscht dichter Verkehr; die Väter, die in der Stadt arbeiten, kommen gerade nach Hause und ziehen ihre Jeans an. Es gibt nur ein einfaches Abendessen – Hot Dogs und Makkaroni mit Käsesoße, vielleicht was aus dem Schnellrestaurant; niemand hat Appetit, so aufgedreht sind sie alle. Lasst dasGeschirr stehen. Los, die Kleinen sind schon draußen. Dad schiebt Batterien in seine Taschenlampe. Gehen wir, wir sind startbereit, doch nein, Mom will ein Foto machen, und alle sollen still stehen.
    In der Schule haben die Kinder immer schlachtplanartige Karten gezeichnet, haben ihr Territorium abgesteckt und versucht, ihren Süßigkeitenrekord zu brechen. (Wie können wir diesen Tag, diesen Ort hassen? Wir lieben das alles.)
    Im letzten Moment gibt es an der Tür helle Aufregung. Die Regenschirme stehen im Wandschrank. Braucht jemand Handschuhe?
    Und dann die Ermahnungen: Passt auf der Treppe auf. Passt auf, wenn ihr über die Straße geht. Passt auf, dass ihr nicht über euer Kostüm stolpert. Könnt ihr überhaupt eure Füße sehen? Seid höflich. Vergesst nicht, danke zu sagen. Lauft nicht über den Rasen. Rennt nicht vor. Esst nichts, das nicht eingepackt ist.
    Die Luft ist so kalt, dass der Atem sich in Dampfwölkchen verwandelt, die Verandadielen sind glatt, und der Wind weht den Regen zwischen den Säulen hindurch. Der Kürbis ist oben schon verkohlt, der Kerzenstummel flackert, ein schwarzes Streichholz liegt zusammengeschrumpft in einer durchsichtigen Pfütze aus Wachs. Die einbrechende Dunkelheit zeichnet die Einfahrt weich, die Kutschenlampe wirft Schatten in den Rhododendron. Im Indian Pipe Trail ziehen Kinderscharen von Haus zu Haus und probieren aus, wo jemand daheim ist. Ihre Tüten sind leicht und rappeln, wenn die Kinder weiterdrängen. Am anderen Ende der Straße lauern zwei Kleinbusse mit eingeschaltetem Parklicht, Eltern, die ihre Schützlinge behüten, als könnten sie alle Gefahren abwenden, und vorläufig können sie das tatsächlich. Der Abend ist noch jung, und es sind genug Süßigkeiten für alle da.
    Kein Wunder, dass wir Halloween so sehr lieben; einen Abend lang können wir so tun, als würden wir all das bekommen, was wir uns wünschen.
    Tun wir so, als könnten wir hier aufhören.
    Tun wir so, als könnte nichts Schlimmes passieren.
     
    Tim bremst und biegt in den Indian Pipe Trail, er fährt mitten auf der Straße und versucht, sich von den Regenschirmen, den gespenstergrünen Leuchtstäben und den von Kürbislaternen gekrönten Taschenlampen fern zu halten. Im Scheinwerferlicht watscheln die Kinder in ihren Jacken und bauschigen Kostümen gebückt durch den Regen wie Zwerge. Tim denkt an Kyle – den neuen Kyle, den Kyle, der am Leben ist – und daran, dass die Leute ihn als Monster betrachten. Er fragt sich, ob auch er das tut, ob er deshalb denkt, Kyle sollte heute Nacht mitfahren. Was, wenn mit ihm alles in Ordnung wäre?
    Er muss sich noch nicht entscheiden. Dafür hat er noch genug Zeit, wenn ihre Schicht vorbei ist. Er hat sich sowieso nicht genau an den Plan gehalten.
    Bei Kyle brennt das Verandalicht, Wasser strömt die Einfahrt runter, eine Überlaufrinne. Tim muss wegen einer Schar älterer Kinder warten, hält dann an und zieht die Handbremse, nimmt die Schlüssel mit. Auf der Veranda gibt es keinen Kürbis, keinerlei Dekoration – genau wie bei ihm zu Hause (wie bei uns allen; Danielles Schwestern dürfen nicht vor die Tür). Im Licht fühlt er sich unwohl, als könnte ihn jemand sehen. Er klingelt, dreht sich um und blickt zur Straße, um zu sehen, ob jemand kommt.
    Die Tür geht auf, und da steht Kyles Mom mit einer Schüssel voll Süßigkeiten. «Tim, komm rein. Nimm dir ein Snickers. KYell!»
    «Nein danke.» Er ist kurz davor, sich bei ihr zu entschuldigen, steht da und streift sich die Schuhe ab, überzeugt, dass sie ihm ansehen

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