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Halo - Tochter der Freiheit

Titel: Halo - Tochter der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zizou Corder
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und zog vorsichtig daran.
    Es rutschte ein Stück um den Hals herum.
    Halo zog ein bisschen kräftiger. Das Band rutschte ein bisschen weiter.
    Nun kam der Knoten in Sicht. Er hatte sich in der kurzen Zeit noch nicht festgezogen, sodass er sich leicht öffnen ließ. Mit einer raschen Bewegung zog Halo das Lederband unter dem Hals der Frau hervor, fast spürte sie die Hitze, die durch die Reibung auf der Haut erzeugt wurde. Dann erstarrte sie.
    Die Frau wälzte sich auf die andere Seite und stöhnte leise.
    Hoffentlich wachte sie nicht auf!
    Halos Herz klopfte so laut, dass sie meinte, allein dadurch müssten die beiden wach werden.
    Aber nein – der starke Fusel hatte die Eheleute fest im Griff, und sie schnarchten weiter.
    Halo lächelte zufrieden.
    Sie betrachtete die Frau und dachte an Nimine, die den ganzen Tag für andere arbeiten musste. Sie dachte an die Herrin, die reich und schön war – aber niemals das Haus verließ. An Hypsipyle, die Tochter eines einflussreichen Mannes, die nicht einmal lesen konnte, an die vielen Frauen, die in der Stadt Zakynthos lebten, aber nicht zu sehen waren. Und an diese arme, betrunkene Person vor ihr. An die Männer, denen sie begegnet war und die ihr gesagt hatten, dass sie nicht sich selbst gehören konnte. Niemand achtet die Frauen, und die Mädchen erst recht nicht, dachte sie. Und wie sie sich im Mondlicht die Eule um den Hals legte, wurde ihr klar, dass es bei den Menschen von Nachteil war, eine Frau zu sein.
    Und genau in diesem Augenblick kam ihr eine Idee.
    Halo beschloss, ein Knabe zu werden.
    Natürlich! Ein Knabe zu sein war viel besser. Sie hatte am Hafen von Zakynthos Jungen gesehen, auch in der dortigen Agora, auf den Schiffen und von Weitem auf den Feldern, als sie über das Festland gewandert war. Jungen und Männer durften sich überall bewegen, ohne dass sie versklavt, geraubt oder verspottet wurden.
    Sie wollte ein Knabe werden. So schwierig konnte das nicht sein. Sie war für ihr Alter ziemlich groß, hatte ein hageres Gesicht und kräftige Schultern. Sie war weder zart noch blass noch rundlich wie Hypsipyle. Sie war mager und muskulös und von der Sonne gebräunt. Sie musste sich nur entsprechend verstellen: sich Knabenkleidung anziehen, sich wie ein Knabe bewegen und wie ein Knabe denken. Ha! Eigentlich dachte sie schon wie ein Knabe – sie wollte sich frei bewegen können und tun, wozu sie Lust hatte.
    Neben dem Lager lagen der Chiton des Mannes und sein Umhang.
    Sie lachte leise. Er hatte sie bestohlen. Aber durfte sie ihn jetzt ebenfalls bestehlen? Sie dachte kurz darüber nach und bejahte die Frage dann. Er hatte dieses wichtige Gesetzt zuerst gebrochen – also hatte es keine Gültigkeit mehr für sie.
    Dike, Göttin der Gerechtigkeit, flüsterte sie, bitte verstehe meine Situation und vergib mir, dass ich diesen ekelhaften, erbärmlichen Schurken bestehle.
    Die Kleider rochen etwas muffig, aber sie waren ihr nur ein bisschen zu groß. Sie zog den Chiton über den ihren und raffte ihn mit ihrem Gürtel hoch, damit er nicht auf dem Boden schleifte. Da sie nicht genau wusste, wie Jungen ihren Umhang falteten, warf sich ihn sich einfach über den Arm. Dabei fiel etwas auf den Boden. Sie zuckte zusammen, aber auf dem harten Lehmboden hatte es kaum ein Geräusch gemacht. Sie bückte sich. Es war ein Messer. Nun, das konnte sie gut gebrauchen. Sie steckte es in ihren Gürtel. Dann bediente sie sich noch an den Resten der Mahlzeit, nahm ein Stück harten Käse und einen Kanten Brot und einen Wasserbeutel aus Leder, der auf dem Boden lag. Sie füllte ihn geräuschlos aus dem großen Wasserkrug neben der Tür, band ihn sich um die Schulter und warf den Umhang darüber.
    Sie hatte keine Ahnung, ob sie nun wirklich wie ein Knabe aussah, doch zum ersten Mal, seit sie von Arko getrennt worden war, fühlte sie sich stark und gut gerüstet.
     
    Sie wanderte die ganze Nacht hindurch nach Norden in Richtung Sparta und orientierte sich an den Sternen. Wolken jagten über den Himmel, und es war kühl. Sie zog den schmutzigen Umhang eng um sich. Sie wollte schnell so weit weg wie möglich von diesem Mann, aber nicht nur deshalb gönnte sie sich keine Pause. Sie hatte auch Angst allein im Dunkeln, um sie herum die murmelnden Geräusche und huschenden Schatten der Nacht. Wenn nur Arko da wäre ...
    Als die Morgendämmerung heraufzog und die Sterne verblassten, sah sie im Westen das große Massiv des Taygetos-Gebirges, dessen Ausläufer in der aufgehenden Sonne silbrig

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