Halo - Tochter der Freiheit
wieder glücklich.
Da rührte sich das Pferd, schüttelte seine Mähne, drehte sich um und trabte über die Ebene in südliche Richtung. Das war nicht unbedingt der Weg, den Halo einschlagen wollte, aber sie wollte sich auch nicht so schnell von diesem großen freundlichen Wesen trennen. Bald würde es stockdunkel werden. Dann wollte sie dort schlafen, wo das Pferd schlief, sie wollte das mächtige Heben und Senken seines Körpers spüren und sich geborgen fühlen. Und so folgte sie ihm.
Es hatte nichts dagegen. Leichten Schrittes gingen sie in den Abend hinein.
Nach einer Weile merkte Halo, wohin sie gingen. Ein Stück vor ihnen, auf einer kleinen Wiese, stand ein großer Feigenbaum, und darunter – sie konnte es im schwachen Dämmerlicht gerade noch erkennen – darunter standen mehrere Pferde. Eine kleine Herde: ein paar Stuten, ein Hengst und einige Fohlen. Eine Familie, dachte sie, und ihr Herz machte einen Sprung.
Die Pferde begrüßten Halo mit einem Wiehern und drückten mit einem leichten Schnauben ihre Zuneigung zu ihrer Schwester und ihre Neugier über den Gast aus. Halo streichelte ihre Nasen, dann wandten sich die Pferde wieder ihrer vorherigen Beschäftigung zu und fraßen gemächlich heruntergefallene Feigen vom Boden. Halo dachte an Gerstensuppe, Joghurt und Honig, gebratenen Fisch und salzigen Käse, aber Feigen waren auch nicht schlecht. Flugs kletterte sie auf den Baum und warf auch den Pferden eine Extraportion hinunter.
In dieser Nacht schlief sie tief und fest, eingezwängt zwischen zwei großen, warmen Stutenleibern.
Am nächsten Morgen lag ein Mann auf der Wiese. Sie sah ihn, bevor er sie sah, denn er schlief. Wahrscheinlich war er mitten in der Nacht gekommen. Er hatte sich in seinen Umhang gehüllt und lag ein Stück entfernt von den Pferden unter dem Baum. Er war krumm und klein, braun und schmuddelig, hatte keine Schuhe an und schnarchte. Halo hatte keine Ahnung, wie alt er sein mochte … Sie betrachtete ihn neugierig.
Ich muss gehen, dachte sie, und dieser Gedanke machte sie traurig, denn sie hatte die Ruhe und Wärme, die die Pferde ausstrahlten, sehr genossen. Aber Menschen – nun, sie wusste nicht, was sie von ihnen halten sollte. Sie gaben einem zu essen und einen Platz zum Schlafen und frisches Wasser, und man konnte mit ihnen sprechen – aber dann kommandierten sie einen herum, ließen einen nicht mehr gehen, und man konnte ihnen auch nicht sagen, was man wirklich wollte …
Waren alle Menschen so? Sie wusste es nicht.
Jedenfalls konnte sie sich nicht vorstellen, dass ihre Menscheneltern so gewesen waren. Schnell schob sie den Gedanken an ihre Eltern weg. Dafür war jetzt nicht die richtige Zeit.
Nimine war eigentlich ganz nett gewesen. Aber auf sie hörte niemand. Alle hörten nur auf Aristides oder die Herrin. Immer wieder hatten die beiden Halo über ihren Vater ausgefragt, und als sie schließlich zu der Auffassung gelangten, dass sie keinen Vater hatte, beschlossen sie, Halo zu verkaufen, als wäre sie ihr Eigentum.
Bisher war Halo der Meinung gewesen, dass sie nur sich selbst und zu den Zentauren gehörte. Vielleicht hatte sie sich geirrt.
Aber zu wem gehörte sie dann?
Zu ihrem Menschenvater.
Zu ihrer Menschenmutter.
Missmutig wandte sich Halo von dem Mann ab. Sie verstand die Menschen nicht.
Ihr Blick fiel auf die ruhig grasenden Pferde. Auch diese Tiere konnte sie nicht richtig verstehen. Nur mit dem Herzen. Aber nicht mit dem Verstand. Sosehr sie die Pferde mochte und sosehr die freundlichen Tiere sie getröstet hatten, wusste sie doch, dass sie nicht zu ihnen gehörte.
Der Mann hustete.
Hilflos stand Halo vor ihm.
Sollte sie wegrennen? Aber wohin? Oder dableiben?
Die Pferde konnten ihr nicht helfen. Und der Mann?
Mutlos schaute sie auf ihn hinab.
Da drehte er sich um, streckte sich und setzte sich heftig hustend auf. Dann sah er sie.
»Nanu? Wer bist du denn?«, fragte er.
Nicht schon wieder, dachte sie. Sie riss sich zusammen und starrte ihn an. Er sah eher wie ein Fischer als wie ein Aristides aus. Aber was wusste sie schon über Menschen?
Schweigen hatte ihr bisher nur geschadet.
»Ich bin Halosydne von Zakynthos«, sagte sie. »Ich habe mich verirrt. Vielleicht kannst du mir helfen. Ich brauche ein Boot, um wieder nach Hause zu kommen. Ich kann für die Fahrt auch arbeiten.«
Der Mann hustete wieder und spuckte aus. Ekelhaft. Dann klopfte er den Boden um sich herum ab, bis er seine Wasserflasche gefunden hatte.
»Aha. Hast wohl Ärger
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