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Halo

Halo

Titel: Halo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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erstaunte mich, wie offen sie waren und wie viel sie voneinander wussten – sogar kleine Dinge wie das Lieblingseis und den Filmgeschmack der anderen.
    «Soll ich mir den neuen Bond-Film anschauen?», fragte Nicola irgendwann am Abend.
    «Er wird dir nicht gefallen, Nicola», antwortete Xavier. «Ist zu viel Action für dich.»
    Gabriel, Ivy und ich hatten einen Bund, der auf Vertrauen basierte, aber wir kannten uns nicht wirklich auf die gleiche Weise. Das meiste, was uns beschäftigte, ging uns nur durch den Kopf und wurde nicht ausgesprochen. Vielleicht lag es daran, dass nicht von uns erwartet wurde, individuelle Persönlichkeiten zu haben, also hatten wir auch keine entwickelt. Da wir eher Zuschauer als Mitspieler waren, hatten wir keine Entscheidungen zu fällen und keine moralischen Probleme zu lösen. Eins mit dem Universum zu sein bedeutete, dass wir persönliche Beziehungen nicht brauchten. Die einzige Liebe, die wir zu verspüren hatten, war eine übergreifende, die alles Lebendige umspannte.
    Es traf mich wie ein Hammerschlag, als ich erkannte, dass ich begann, mich mehr mit den Menschen zu identifizieren als mit meiner eigenen Art. Für Menschen schien es wichtig zu sein, tiefe Beziehungen einzugehen. Sie fürchteten und ersehnten Vertrautheit gleichermaßen. In einer Familie war es unmöglich, Geheimnisse für sich zu behalten. Wenn Nicola schlechte Laune hatte, wussten das alle. Wenn ihre Mutter enttäuscht war, brauchten sie ihr nur ins Gesicht zu sehen, um Bescheid zu wissen. Etwas vorzuspielen war Zeit- und Kraftverschwendung.
    Als der Abend zu Ende ging, verspürte ich Xavier gegenüber eine enorme Dankbarkeit. Dass er mir erlaubt hatte, seine Familie zu treffen, war eins der größten Geschenke, das er mir hatte machen können.
    «Wie fühlst du dich?», fragte er, als er bei uns in die Einfahrt einbog.
    «Erschöpft», gab ich zu. «Aber glücklich.»
    In dieser Nacht dachte ich über etwas nach, was mir nie zuvor in den Sinn gekommen war. Bernies Kommentar über Sex vor der Ehe hatte in mir eine Saite berührt. Ich wusste, dass es für Xavier und mich möglich war, Sex zu haben, weil ich eine menschliche Gestalt hatte und alles Körperliche genauso erleben konnte wie die Menschen. Aber was würde die Konsequenz einer solchen Entscheidung sein?
    Ich beschloss, das Thema mit Ivy zu besprechen – aber nicht mehr heute Abend. Ich wollte meine heitere Stimmung nicht zerstören.

[zur Inhaltsübersicht]
    20 Warnsignale
    Ich öffnete die Tür zum Literaturraum und sah Jake Thorn lässig auf der Kante von Miss Castles Pult sitzen. Sein Blick war fest auf ihr gerötetes Gesicht gerichtet. Keiner der beiden sah zu mir her, sie hatten mich nicht bemerkt. Jakes glänzendes dunkles Haar war streng aus dem Gesicht gekämmt. Seine Wangen sahen glatt aus, und mit seinen katzengrünen Augen blickte er Miss Castle auf nahezu hypnotische Weise an, wie eine Schlange, die jederzeit zuschnappen konnte. Eine rote Rose lag auf dem Pult, und ich bemerkte seine lange, schlanke Hand, die locker auf ihrer lag. Es war vollkommen still im Raum, nur Miss Castles flacher Atem war zu hören.
    «Das ist unangebracht», flüsterte sie.
    «Laut welchem Gesetz?» Jakes Stimme war tief und selbstbewusst.
    «Vor allem laut Schulgesetz. Du bist mein Schüler.»
    Jake lachte leise. «Ich bin schon sehr erwachsen – alt genug, meine eigenen Entscheidungen zu fällen.»
    «Aber was, wenn wir erwischt werden? Ich würde meinen Job verlieren, ich dürfte nie wieder als Lehrerin arbeiten, Ich würde …» Ich hörte, wie sie heftig Luft holte, als Jake ihr einen Finger an die Lippen presste und ihn dann verführerisch nach unten gleiten ließ, bis er in der Kuhle an ihrem Hals ruhte.
    «Wir können ja diskret sein.»
    Gerade als er sich vorbeugte und Miss Castle die Augen schloss, erklang hinter mir ein lauter Schlag, gefolgt von Flüchen. Ben Carter war eingetroffen und hatte aus Versehen seine Tasche gegen die Tür geschlagen. Jake sprang mit katzenartiger Anmut vom Pult, während eine nervöse Miss Castle Zettel sortierte und versuchte, ihre Haare zu glätten.
    «Hi!», grummelte Ben, als er sich an mir vorbei zu seinem Platz schob, ohne sich bewusst zu sein, welchen Kuss er gerade verhindert hatte. Er fläzte sich auf seinen Stuhl und sah auf die Uhr. «Ich bin nicht mal zu spät.»
    Als noch mehr Schüler in den Raum drängten, setzte ich mich hinter Ben und starrte intensiv auf meinen Tisch. Jemand hatte «Englisch ist der Tod.

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