Halo
Seide mit einem Spitzen-Overlay. Das Mieder war perlenbesetzt, und eine Reihe von Satinknöpfen lief die enganliegenden Ärmel herunter. Es hatte einen U-Boot-Ausschnitt mit einem verspielten Goldkäntchen aus kleinen Rosenknospen. Der Stoff schien aus Lichtpartikeln gewoben zu sein und schimmerte leicht perlmuttfarben. An den Füßen trug ich sehr zierliche, perlenbestickte Satinslipper.
Ich sah Ivy verlegen an. Es war keine wirklich einfache Bitte.
«Eine meiner leichtesten Übungen», sagte meine Schwester. «Das kriege ich in null Komma nichts hin.»
Am Montag saß ich in der Mittagspause alleine in der Cafeteria. Xavier hatte Wasserballtraining, und Molly und die anderen Mädchen hatten ein Treffen mit dem Abschlussball-Komitee, um die endgültige Dekoration und die Sitzordnung zu besprechen. Während ich so dasaß und in meinem welken Blattsalat herumstocherte, wurden mir neugierige Blicke zugeworfen. Wahrscheinlich waren alle überrascht, mich ohne Begleitung zu sehen. Aber ich nahm sie kaum wahr, wie gewöhnlich füllte Xavier meine Gedanken, umso mehr, da wir körperlich getrennt waren. Als ich mich selbst dabei ertappte, wie ich die Minuten ausrechnete, bevor ich ihn wiedersah, beschloss ich, dass ich meine Zeit sinnvoller verbringen konnte, und machte mich auf den Weg in die Bibliothek. Die Oberstufenbibliothek war der einzige Ort, an dem es niemand komisch fand, wenn man allein war. Ich wollte den Rest der Mittagspause nutzen, die Hintergründe der Französischen Revolution nachzuschlagen.
Gerade hatte ich meine Bücher aus dem Spind geholt und draußen die Abkürzung durch einen engen Gang genommen, als mir jemand hinterherrief.
«Hey, du!»
Ich drehte mich um, sah Jake Thorn mit vor der Brust verschränkten Armen an einer Backsteinmauer lehnen. Sein dunkles Haar rahmte sein blasses Gesicht ein, und seine Lippen waren zu einem spöttischen Grinsen verzogen. Er trug jetzt zwar die Schuluniform der Bryce Hamilton, aber mit einem ausgesprochen eigenen Stil: ohne Krawatte und mit hochgeschlagenem Hemdkragen. Statt eines Blazers trug er eine graue Windjacke mit Kapuze. Seine Hose hing ihm locker um die schmalen Hüften, und an den Füßen trug er weiße Schnürschuhe statt der normalen Schulschuhe. Ich bemerkte zum ersten Mal, dass er nicht nur den mysteriösen Anhänger um den Hals trug, sondern auch einen Diamantstift im Ohr. Er nahm einen langen Zug von seiner Zigarette und blies einen Rauchkringel in die Luft.
«Du solltest hier nicht rauchen», warnte ich ihn und fragte mich, wie jemand so öffentlich die Schulregeln brechen konnte. «Du bekommst sonst Schwierigkeiten.»
«Wirklich?», antwortete Jake mit gespielter Besorgnis. «Soweit ich weiß, wird dieser Winkel unter der Hand ‹Raucherecke› genannt.»
«Trotzdem führen die Lehrer hier immer noch Aufsicht.»
«Ich habe das beobachtet, sie kommen nie bis hierher. Sie hängen viel lieber in der Nähe des Lehrerzimmers herum und zählen die Minuten, bis sie zu Kaffee und Kreuzworträtseln zurückkehren können.»
«Ich glaube, du solltest die Zigarette lieber ausmachen, bevor es jemand mitkriegt», sagte ich.
«Wenn du das sagst», antwortete Jake.
Er zertrat die Kippe mit dem Absatz seines Schuhs und kickte sie in dem Moment in ein Beet, als Miss Kratz, die alte und mürrische Bibliothekarin, vorbeitrippelte. Sie beäugte uns misstrauisch.
«Vielen Dank, Beth», sagte er, als sie außer Hörweite war. «Ich glaube, du hast mir gerade den Arsch gerettet.»
«Gern geschehen», sagte ich und wurde bei dieser übertriebenen Dankesbekundung rot. «Es ist schwer, wenn man sich nicht auskennt. In deiner alten Schule musst du viele Freiheiten gehabt haben.»
«Sagen wir, ich bin ein paar Risiken eingegangen. Manchmal ging das schief – daher mein Exil hier. Du weißt, die alten Römer zogen den Tod dem Exil vor. Meins ist zumindest nicht auf Dauer.»
«Wie lange bleibst du?»
«So lange, wie es dauert, mich zu bessern.»
Ich lachte. «Besteht da eine Chance?»
«Ich würde sagen, es gibt alle Chancen, es kommt nur auf den richtigen Einfluss an», sagte Jake bedeutungsvoll. Er kniff plötzlich die Augen zusammen, als ob ihm gerade ein Gedanke gekommen wäre. «Ich habe dich noch nicht oft allein gesehen. Wo ist denn dein allzeit anwesender Prince Charming? Hoffentlich nicht krank.»
«Xavier ist beim Training», sagte ich schnell.
«Ah, Sport – diese Erfindung von Pädagogen, verrücktspielende Hormone in Schach zu
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