Halo
alles.»
***
«Was passiert eigentlich, wenn ein Engel und ein Mensch miteinander Liebe machen?», fragte ich Ivy am selben Abend. Ich war gerade dabei, mir ein Glas Milch einzuschenken.
Sie sah mich scharf an.
«Warum fragst du das?», sagte sie. «Bethany, bitte sag mir, dass du das nicht getan hast und dass …»
«Natürlich nicht», unterbrach ich sie. «Ich bin nur neugierig.»
«Tja …», sagte meine Schwester nachdenklich. «Der Sinn unserer Existenz ist es, Gott zu dienen, indem wir den Menschen helfen, nicht, indem wir uns unter sie mischen.»
«Ist das denn schon einmal passiert?»
«Ja, mit katastrophalen Folgen.»
«Das bedeutet?»
«Das bedeutet, dass das Menschliche und das Göttliche sich nicht vereinigen sollen. Wenn es doch passiert, verliert der Engel vermutlich seine Göttlichkeit. Ein solcher Regelverstoß kann nicht gesühnt werden.»
«Und der Mensch?»
«Der könnte niemals mehr ein normales Leben führen.»
«Warum?»
«Weil das Erlebnis alles übertreffen würde, was ein Mensch zu erfahren in der Lage ist», erklärte Ivy.
«Also wäre er für sein Leben gezeichnet?»
«Ja», sagte Ivy, «so kann man es auch sagen; er wäre eine Art Ausgestoßener. Es wäre einfach nur grausam, so als ob man ihm kurz die Tür zu einer anderen Dimension öffnet und sie dann wieder verschließt. Engel existieren außerhalb von Zeit und Raum und können sich frei zwischen den Welten bewegen. Menschen können das nicht verstehen.»
Auch wenn es sehr kompliziert war und ich es nicht richtig verstand, wusste ich eines ganz sicher: Ich durfte mit Xavier nichts überstürzen, sosehr ich es mir auch wünschte. Eine solche Verbindung wäre gefährlich und verboten. Himmel und Erde würden sich auf unnatürliche Weise vereinigen, und der Zusammenprall zweier Welten konnte verheerend sein.
***
«Xavier und ich wollen noch warten», antwortete ich Molly, als sie mich in der Schulcafeteria danach fragte. Ihr Interesse an meinem Liebesleben war fast schon ungesund, fand ich. Weil ich ihr nicht sagen konnte, was mir Ivy erzählt hatte, musste ich mir etwas anderes ausdenken. «Wir müssen uns nicht gegenseitig beweisen, wie sehr wir uns lieben.»
«Aber willst du es denn nicht?», fragte Molly. «Bist du denn gar nicht neugierig?»
«Doch, schon, aber wir haben ja keine Eile.»
«Ach du meine Güte, ihr beide lebt wirklich in einer Parallelwelt», lachte Molly. «Alle anderen sind ganz heiß darauf, sobald sie die Gelegenheit dazu haben.»
«Heiß auf was?», fragte Taylah, die hinter Molly aufgetaucht war und an einem Lolli lutschte. Ich schüttelte den Kopf, um Molly zu signalisieren, dass wir das Thema wechseln sollten, aber sie achtete gar nicht auf mich.
«Auf schmutzige Dinge», sagte sie.
«Oh, ihr wollt endlich eure Jungfräulichkeit loswerden?», fragte Taylah und ließ sich neben uns fallen. Ich muss erschrocken ausgesehen haben, denn Molly fing an zu lachen.
«Entspann dich, Baby, Taylah kannst du vertrauen. Vielleicht kann sie dir sogar helfen.»
«Wenn du eine Sexfrage hast, bin ich genau die Richtige», versicherte Taylah. Ich war skeptisch. Zu Molly hatte ich Vertrauen, aber alle ihre Freunde waren ziemlich großmäulig und nicht gerade verschwiegen.
«Ist schon okay», sagte ich. «Ist auch nicht so wichtig.»
«Soll ich dir einen Rat geben?», fragte Taylah, der es offenbar egal war, ob ihr Rat erwünscht war oder nicht. «Tu es niemals mit jemandem, den du liebst.»
«Was?» Ich starrte sie an. Mit ein paar Worten hatte sie mein ganzes Wertesystem über den Haufen geworfen. «Du meinst bestimmt genau das Gegenteil.»
«O Tay, erzähl ihr doch nicht so was», sagte Molly.
«Ernsthaft», Taylah drohte mir mit dem Finger. «Wenn du sie an jemanden verlierst, den du wirklich liebst, dann geht die ganze Sache in die Grütze.»
«Aber warum?»
«Na, wenn dann Schluss ist, hast du etwas ganz Besonderes weggegeben, das du niemals wiederkriegst. Wenn du es aber jemandem schenkst, der dir egal ist, tut es hinterher nicht so weh.»
«Und was, wenn nicht Schluss ist?», fragte ich. Ein ekelhafter Kloß bildete sich in meinem Hals.
«Vertrau mir, Beth», beharrte Taylah. «Irgendwann ist immer Schluss.»
Plötzlich hatte ich das dringende Bedürfnis, so weit von den beiden weg zu sein wie nur möglich.
«Bethie, hör gar nicht auf sie», sagte Molly erschrocken, als ich meinen Stuhl heftig zurückschob und aufstand. «Taylah, jetzt hast du sie verärgert.»
«Ich bin nicht
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