Halo
natürlich, dass diese selbstmitleidige Einstellung nicht besonders christlich war, und versuchte meistens, den Dingen eine positive Seite abzugewinnen, aber es klappte nun mal nicht immer.
«Es müsste ja nicht so sein», sagte Jake. «Natürlich hofft man darauf, eine solche Veranstaltung am Arm eines geliebten Menschen zu besuchen, aber manchmal muss man vielleicht einfach praktisch denken, besonders wenn jener Geliebte anderweitig beschäftigt ist.»
Seine geschraubte Sprechweise entlockte mir jetzt doch ein Lächeln.
«Das ist schon besser», sagte er. «Trübsinn steht dir einfach nicht.» Er rekelte sich auf seinem Stuhl.
«Bethany, ich weiß, dass ich nicht deine erste Wahl bin, aber würdest du mir die Ehre erweisen, dich zu dem Tanz begleiten zu dürfen, um dir damit aus deiner misslichen Lage zu helfen?»
Vielleicht war es eine ehrlich gemeinte Geste, aber ich fühlte mich nicht wohl dabei, sein Angebot zu akzeptieren.
«Ich bin nicht sicher», sagte ich. «Danke für das Angebot, aber ich muss das erst mit Xavier besprechen.»
Jake nickte. «Natürlich. Mein Angebot steht in jedem Fall.»
***
Als ich das Thema bei Xavier anschnitt, zögerte er keine Sekunde: «Natürlich musst du mit jemand anderem gehen!»
Er saß zurückgelehnt auf dem Sofa, mit dem Gesicht zum Fernseher. Man sah, dass er sich furchtbar langweilte – für jemanden, der sonst so aktiv war, war Fernsehen am Tag ein schwacher Ersatz. Er trug ein graues Sweatshirt, und sein Fußgelenk hatte er auf einem Sitzhocker hochgelegt. Er wirkte rastlos und rutschte unruhig auf dem Sofa herum. Es musste wirklich hart für ihn sein, den ganzen Tag still zu sitzen. Er beschwerte sich nicht, aber ich wusste, dass sein Kopf immer noch schmerzte. «Es ist schließlich ein Ball», fuhr er mit einem aufmunternden Lächeln fort, «Du brauchst einen Tanzpartner, zumal ich ja gerade zu nichts nütze bin.»
«Okay», sagte ich langsam. «Und was hieltest du davon, wenn Jake Thorn mein Tanzpartner wäre?»
«Jake? Wirklich?» Xaviers Lächeln verschwand, und seine blauen Augen verengten sich kaum sichtbar. «Irgendetwas an diesem Typen gefällt mir nicht.»
«Na ja, aber immerhin hat er sich angeboten.»
Xavier seufzte. «Beth, jeder Junge würde sich darum reißen, mit dir zu gehen.»
«Aber Jake ist mein Freund.»
«Bist du dir da ganz sicher?», fragte Xavier.
«Was soll das denn heißen?»
«Nichts, nur dass du ihn noch gar nicht so lange kennst. Und irgendetwas an ihm kommt mir komisch vor.»
«Xavier …» Ich nahm seine Hand und legte sie an meine Wange. «Es ist nur eine Nacht.»
«Ich weiß, Beth», sagte er. «Und ich möchte gern, dass du den Ball so richtig genießt. Ich wünschte nur, es wäre mit jemand anders … irgendjemand anders.»
«Es ist eigentlich völlig egal, mit wem ich hingehe, ich werde sowieso die ganze Zeit nur an dich denken», wandte ich ein.
«Jaja, schon klar, versuch du nur, mich zu überreden», sagte Xavier, aber er lächelte jetzt. «Wenn du sicher bis, was Jake angeht, dann geh mit ihm hin. Aber tu bloß nicht so, als wäre er ich.»
«Als ob irgendjemand dir das Wasser reichen könnte.»
Er beugte sich vor, um mich zu küssen, und wie immer war uns ein Kuss nicht genug. Wir ließen uns auf das Sofa fallen, ich fuhr mit den Händen durch sein Haar, er umfing mich mit seinen Armen, unsere Körper schmiegten sich aneinander. Plötzlich fiel unser Blick gleichzeitig auf sein Bein, das in einem merkwürdigen Winkel aufragte, und wir brachen in Gelächter aus.
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25 Ersatz
«Großartig!», sagte Jake, als ich ihm die Neuigkeit erzählte. «Wir werden ein hinreißendes Paar abgeben.»
«Mmm», nickte ich.
Ich hatte immer noch so ein merkwürdiges Gefühl, eine gewisse Vorahnung, die mir einen leichten Schauder über den Rücken jagte. Als ich sicher geborgen in Xaviers Armen lag, war mir die Idee, mit Jake zum Ball zu gehen, ganz gut vorgekommen, aber im kalten Tageslicht begann ich, meine Entscheidung zu bedauern. Weil ich mir das mulmige Gefühl aber nicht erklären konnte, beschloss ich, es zu ignorieren. Außerdem konnte ich jetzt nicht mehr zurück und Jake vor den Kopf stoßen.
«Du wirst es nicht bereuen», sagte er mit seiner seidigen Stimme, als hätte er meine Gedanken gelesen. «Ich zeige dir, wie man richtig Spaß hat. Soll ich dich um sieben Uhr von zu Hause abholen?»
Ich zögerte einen Moment, bevor ich antwortete: «Sagen wir lieber halb acht.»
***
Mollys
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