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Halo

Halo

Titel: Halo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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versetzte Jake, wie üblich übertrieben höflich. «Aber tu dir keinen Zwang an und nimm dir jede kreative Freiheit, die du benötigst. Die erste Strophe kann ja von einem Mann an eine Frau gerichtet sein, die zweite vielleicht umgekehrt. Lass uns damit fertig werden, Beth. Ich bin durch mit dieser Aufgabe. Wenn wir das hinter uns haben, können wir über interessantere Dinge sprechen.»
    «Das kann man nicht übers Knie brechen», entgegnete ich schroff. «Was du machst, ist mir egal, aber ich will das hier gut machen.»
    «Warum? Ist ja nicht so, als ob du hier eine gute Note bräuchtest.»
    «Wie bitte? Warum nicht?»
    «Eine gute Note ist hier sowieso quasi garantiert – Miss Castle mag mich.» Er grinste und wandte sich wieder seinen Kritzeleien zu. Ich fragte nicht danach, was er da schrieb, und freiwillig wollte er offenbar nichts verraten.
    Jakes Vorschlag hatte meine Phantasie angeregt. Ich stellte mir Xavier vor, und plötzlich war es ganz leicht weiterzudichten. Ich musste mir nur sein Gesicht in Erinnerung rufen, und die Worte flossen nur so aufs Papier, als hätte mein Füller ein Eigenleben. Tatsächlich reichte mir die eine Strophe, die ich zu dichten hatte, fast nicht mehr aus. Ich hätte alle Notizbücher der Welt mit meinen Gedanken über Xavier füllen können. Ich hätte seitenlang seine Stimme, seine Haut, seinen Geruch und all die anderen Kleinigkeiten beschreiben können, die ihn ausmachten. Und so hatte ich unter Jakes verschnörkelter Schrift meine flüssige Handschrift gesetzt. Dort stand jetzt:
    Sie hatte eines Engels Züge
    Ich sah mein Bild in ihrem Gesicht
    Gebunden durch der Mächt’gen Lüge
    War’n wir ein Ganzes, sie und ich.
     
    In ihm sah ich die Zukunft
    In ihm sah ich den Freund
    In ihm sah ich das Schicksal
    Mein Anfang und mein End.
    «Das funktioniert», sagte Jake. «Vielleicht ist ja doch eine Dichterin an dir verlorengegangen.»
    «Danke», erwiderte ich. «Woran hast du denn da so konzentriert gearbeitet?»
    «Notizen … Beobachtungen», sagte er.
    «Und was hast du bisher so beobachtet?»
    «Nur, dass die Menschen leichtgläubig und vorhersehbar sind.»
    «Wirfst du ihnen das vor?»
    «Ich finde es jämmerlich.» Er klang so bitter, dass ich unwillkürlich zurückwich. «Sie sind so leicht zu durchschauen», fuhr er fort. «Das ist überhaupt keine Herausforderung.»
    «Die Menschen sind ja auch nicht zu deiner Entspannung da», protestierte ich. «Sie sind doch kein Hobby.»
    «Doch, für mich sind sie das. Die meisten sind wie ein offenes Buch … alle außer dir. Du verwirrst mich.»
    «Ich?» Ich täuschte ein Lachen vor. «Da ist absolut nichts Verwirrendes an mir. Ich bin so wie alle anderen.»
    «Nicht ganz.» Jake benahm sich wieder so rätselhaft. Langsam beunruhigte mich das.
    «Ich habe keine Ahnung, worauf du anspielst», sagte ich, aber ich musste mich wegdrehen, damit er nicht sah, wie ich rot wurde.
    «Wenn du es sagst.»
    Alicia und Alexandra kamen hinzu und warteten, dass Jake aufsah und mit ihnen sprach.
    «Ja?», sagte er ungeduldig, als er merkte, dass sie nicht vorhatten zu gehen. Ich hatte ihn noch nie in einem solch schneidenden Ton sprechen hören.
    «Sehen wir uns heute Abend?», flüsterte Alicia schüchtern.
    Jake starrte sie erbittert an. «Hast du meine Nachricht nicht bekommen?»
    «Doch.»
    «Und wo ist das Problem?»
    «Kein Problem», sagte sie demütig.
    «Dann sehen wir uns vielleicht später», sagte er ruhig.
    Die Mädchen tauschten ein verstecktes Lächeln und kehrten zu ihren Plätzen zurück. Jake zuckte die Schultern, als ich ihn verwirrt anschaute, als ob er sagen wollte, dass er über diesen Auftritt ebenso erstaunt sei wie ich.
    «Freust du dich auf Freitag?», fragte er, um das Thema zu wechseln. «Ich habe gehört, dass du in Folge eines kleinen sportlichen Missgeschicks keinen Partner für den Ball mehr hast. Echt ein Jammer, dass unser hübscher Junge nicht kommen kann.» Seine dunklen Augen glänzten, und seine Lippe kräuselte sich bedrohlich. Es sah ein bisschen so aus, als würde er die Zähne fletschen.
    «Neuigkeiten machen hier ziemlich schnell die Runde», sagte ich so neutral wie möglich, um nicht auf seine Stichelei eingehen zu müssen. «Mit wem gehst du denn?», fügte ich höflich hinzu.
    «Ich werde ebenfalls solo gehen.»
    «Warum? Was ist denn mit deinem Fanclub?»
    «Fans kann man nur in sehr kleinen Dosen ertragen.»
    Ich seufzte tief. «Das Leben ist nicht besonders fair, oder?» Ich wusste

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