Halo
Küchenmesser.» Er umklammerte das Steuerrad so fest mit beiden Händen, dass seine Knöchel weiß hervortraten.
«Warum, glaubst du, hat Jake sie ausgewählt?»
«Ich schätze, sie hatte einfach Pech», sagte Xavier. «Sie war zur falschen Zeit am falschen Ort. Ich weiß, dass sie deine Freundin war, Beth – es tut mir leid, dass das passieren musste.»
«Ist es unsere Schuld?», fragte ich leise. «Hat er das getan, um sich an uns zu rächen?»
«Er hat es getan, weil er krank ist», sagte Xavier. Er starrte auf die Straße, ohne zu blinzeln, als wolle er all seine Gefühle in seinem Inneren festhalten. «Ich wünschte nur, du hättest es nicht mit ansehen müssen.» Xavier klang wütend, aber ich wusste, dass seine Wut nicht mir galt.
«Ich habe schon Schlimmeres gesehen.»
«Ach ja?»
«Wir sehen eine Menge schlimmer Dinge, dort, wo wir herkommen», sagte ich. Ich erzählte ihm allerdings nicht, wie anders es war, diesen Verlust auf der Erde zu empfinden, wo das Opfer die eigene Freundin war und der Schmerz zehnfach verstärkt wurde. «Hast du sie gut gekannt?», fragte ich leise.
«Ich bin mit diesen Kids seit der ersten Klasse zusammen, Beth. Ich kenne sie alle.»
«Es tut mir leid.» Ich legte ihm die Hand auf die Schulter. Sie war angespannt und hart.
«Mir auch», sagte Xavier.
Gabriel und Ivy hatten bereits von den Geschehnissen erfahren, als wir zu Hause ankamen.
«Wir müssen sofort handeln», sagte Ivy. «Dies geht zu weit.»
«Und was sollen wir deiner Meinung nach tun?», fragte Gabriel.
«Wir müssen ihn aufhalten», sagte ich. «Ihn vernichten, wenn es sein muss.»
«Wir können ihn nicht einfach vernichten», sagte Gabriel. «Wir können niemandem grundlos das Leben nehmen.»
«Aber er hat jemand anderem das Leben genommen!», rief ich.
«Bethany, wir können nichts gegen ihn unternehmen, bis wir nicht zweifellos wissen, wer oder was er ist. Auch wenn wir es uns vielleicht wünschen, ist eine Konfrontation momentan unmöglich.»
«Vielleicht könnt ihr nichts tun», sagte Xavier. «Aber ich. Lasst mich mit ihm kämpfen.»
Gabriel sah ihn mit seinen grauen Augen unnachgiebig an. «Du wirst Bethany keine Hilfe sein, wenn du tot bist», sagte er scharf.
«Gabriel!», rief ich. Allein die Idee, dass irgendjemand Xavier weh tun konnte, machte mich fertig. Ich wusste, er würde sich kopfüber in jeden Kampf stürzen, wenn er dachte, dass er mich damit beschützen könnte.
«Ich bin stärker als er», sagte Xavier. «Ich weiß, dass ich stärker bin. Lasst es mich tun.»
Ivy legte eine Hand auf Xaviers Schulter. «Du weißt nicht, mit wem du es bei Jake Thorn zu tun hast», sagte sie.
«Er ist bloß ein Junge», antwortete Xavier. «Was soll er schon gegen mich ausrichten?»
«Er ist eben nicht bloß ein Junge», sagte Ivy. «Wir haben seine Aura gespürt – und sie wird stärker. Er ist mit dunklen Mächten verbunden, die kein Mensch verstehen kann.»
«Was meinen Sie damit? Dass er ein Dämon ist?», fragte Xavier ungläubig. «Das ist unmöglich.»
«Du glaubst doch an Engel. Ist es so schwer vorstellbar, dass wir vielleicht auch böse Gegenspieler haben könnten?», fragte Gabriel.
«Ich habe versucht, nicht daran zu denken», sagte Xavier.
«So sicher, wie es den Himmel gibt, gibt es auch die Hölle», sagte Ivy sanft.
«Ihr glaubt also, Jake Thorn ist ein Dämon?», flüsterte ich.
«Wir glauben, dass er ein Bote Luzifers sein könnte», sagte Gabriel. «Aber wir brauchen Beweise, bevor wir ihn aufhalten können.»
Der Beweis ließ nicht lange auf sich warten. Als ich etwas später an diesem Nachmittag meine Schultasche auspackte, steckte eine vertraute Papierrolle im Reißverschluss. Ich rollte sie auf und las Jakes unverwechselbare Schrift:
Wenn Engelstränen die Erde fluten,
öffnet sich das Höllentor.
Wenn Engel verloren den Kampf des Guten,
der Tod des Jungen steht bevor.
Ich spürte einen Kloß in meinem Hals: Jake drohte Xavier! Seine Rache richtete sich nicht mehr gegen mich allein. Ich umklammerte Xaviers Arm. Ich konnte seine Muskeln unter meinen Finger spüren – doch es war bloß menschliche Stärke.
«Ist das Beweis genug für euch?», fragte Xavier mit leiser Stimme.
«Das ist ein Gedicht und nichts weiter», sagte Gabriel. «Hört mal, ich glaube ja auch, dass Jake hinter dem Mord und hinter all diesen Unfällen steckt. Ich glaube, er will Chaos anrichten, aber ich brauche konkrete Beweise, bevor ich handeln kann – das schreiben
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