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Halo

Halo

Titel: Halo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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ein Zeichen, und sie zogen sich unauffällig aus der Menge zurück. Ich wollte rufen, dass jemand sie aufhalten müsste, dass sie gefährlich seien, aber ich konnte kein Wort herausbringen.
    Mittlerweile war ich der offenen Toilettentür immer näher gekommen, als würde mich eine unsichtbare Macht dort hinziehen. Zwei Ärzte hoben eine Bahre an, die mit blauem Stoff verdeckt war. An einer Stelle war der Stoff von einer roten Flüssigkeit durchtränkt. Der Fleck wurde langsam immer größer und verbreitete sich wie etwas Lebendiges. Unter dem Stoff hing eine lange, bleiche Hand hervor. Die Fingerspitzen waren bereits bläulich.
    Eine Welle von Schmerz und Angst drückte mir die Luft ab. Aber es waren nicht meine eigenen Gefühle – sie gehörten jemand anderem, dem Mädchen auf der Bahre. Ich fühlte, wie ihre Hände den Griff eines Messers packten. Ich fühlte ihre Angst, gemischt mit einer Hilflosigkeit gegenüber einem mysteriösen Drang, das Messer gegen ihre eigene Kehle zu richten. Sie wehrte sich dagegen, doch es war, als hätte sie keine Gewalt über ihren eigenen Körper. Ich spürte den Schmerz, als das kalte Metall durch ihre Haut glitt, und ich hörte das grausame Lachen, das durch ihren Kopf hallte. Das Letzte, was ich sah, war ihr Gesicht – wie ein Blitz zuckte es durch meinen Kopf. Ich kannte dieses Gesicht. Wie oft hatte ich in der Mittagspause ihren endlosen Klatschgeschichten gelauscht? Wie oft hatte ich über ihre Grimassen gelacht oder ihren Rat gehört … Taylahs Gesicht war in mein Hirn eingebrannt. Ich fühlte, wie ihr Körper sich zusammenkrümmte, fühlte sie nach Luft ringen, als das Blut aus dem Schnitt in ihrer Kehle schoss und ihr den Hals herunterlief. Ich sah das Entsetzen und die Panik in ihren Augen, bevor sie glasig wurden und sie tot zu Boden fiel. Ich öffnete den Mund, um zu schreien, doch es kam kein Ton heraus.
    Gerade als mein eigener Körper heftig zu zittern begann, trat jemand vor mich und packte mich an den Schultern. Ich keuchte und versuchte zurückzuweichen, doch sein Griff war fest. Ich sah auf, erwartete in ein Paar ausgebrannte Augen und eingefallene Wangen zu blicken, aber stattdessen war es Xavier, der seine Arme um mich schlang und mich von der Menge weg und hinaus an die frische Luft führte.
    «Nein», sagte ich mehr zu mir selbst als zu ihm. «Bitte nicht …»
    Er hielt den Arm fest um meine Taille und trug mich beinahe zu seinem Auto, denn ich schien vergessen zu haben, wie ich meine Beine benutzen musste.
    «Es ist okay», sagte er, legte eine Hand an meine Wange und sah mir in die Augen. «Alles wird wieder gut.»
    «Das kann nicht wahr sein … das war … das Mädchen war …» Meine Augen brannten von Tränen.
    «Steig ins Auto, Beth», sagte er, riss die Tür auf und half mir einzusteigen.
    «Jake ist dafür verantwortlich!», schrie ich, als er den Motor anschaltete. Er schien es eilig zu haben, zu Ivy und Gabriel zu kommen. Das ging mir ähnlich. Sie würden wissen, was zu tun war.
    «Die Polizei hält es für Selbstmord», erklärte Xavier schlicht. «Das ist tragisch, aber es hat nichts mit Jake zu tun. Tatsächlich war er derjenige, der ihr Verschwinden bemerkt hat und die Polizei alarmierte.»
    «Nein.» Ich schüttelte heftig den Kopf. «Taylah hätte so was niemals getan. Jake hatte seine Hand dabei im Spiel.»
    Xavier war nicht überzeugt. «Jake mag vieles sein, aber er ist kein Mörder.»
    «Du verstehst nicht.» Ich wischte mir die Tränen ab. «Ich habe alles gesehen – als ob ich dabei gewesen wäre.»
    «Was?» Xavier sah mich erstaunt an. «Wie?»
    «Als ich ihre Leiche sah, war es so, als wäre ich auf einmal das Opfer», erklärte ich. «Sie hat sich selbst die Kehle aufgeschnitten, aber sie wollte es nicht – jemand hat sie dazu gezwungen. Jake hat sie gezwungen, und als sie starb, hat er gelacht. Es war Jake, ich weiß es!»
    Xavier schloss die Augen und schüttelte den Kopf. «Bist du dir wirklich sicher?»
    «Xavier, ich konnte ihn spüren. Er hat es getan.»
    Wir schwiegen eine Weile, während Xavier diese Nachricht verdaute. Schließlich fragte ich: «Was ist passiert, nachdem sie gestorben ist? Das konnte ich nicht sehen.»
    Xaviers Gesichtsausdruck war schmerzerfüllt, aber seine Stimme klang unbeteiligt. «Sie wurde tot auf dem Boden der Mädchentoilette aufgefunden. Das ist alles, was ich weiß. Eine der Unterstufenschülerinnen kam rein und sah sie in ihrer Blutlache liegen. Man fand nichts anderes als ein

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