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Halo

Halo

Titel: Halo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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war: Sein Gesicht schwebte über der Seite, die ich zu lesen versuchte, das Bild einer sanften Hand mit einem geflochtenen Armband aus Leder durchkreuzte meine Gedanken. Ich fragte mich, wie Emily gewesen war und wie es sich anfühlte, jemanden zu verlieren, den man liebte.
    Ich tat so, als räumte ich mein Zimmer auf, bevor ich in die Küche hinunterging und Gabriel anbot, ihm mit dem Abendessen zu helfen. Es überraschte Ivy und mich immer wieder, mit welcher Begeisterung er sich auf die Aufgabe warf, für uns alle zu kochen. Einer der Gründe war unser Wohlbefinden, aber es faszinierte ihn auch einfach, mit Essen umzugehen und es zuzubereiten. Kochen war für ihn ein kreatives Ventil, ähnlich wie Musik. Als ich hereinkam, stand er vor der weißen Marmorarbeitsplatte und putzte einen Berg Pilze. Ab und zu warf er stirnrunzelnd einen Blick in ein Kochbuch, das auf einem Metallständer aufgeschlagen stand. In einer kleinen Schüssel weichte etwas ein, das wie schwarze Baumrinde aussah. Über seine Schulter hinweg las ich den Namen des Rezepts: Pilzrisotto. Für einen Anfänger sah es sehr anspruchsvoll aus, aber dann rief ich mir selbst ins Gedächtnis, dass er der Erzengel Gabriel war. Er brillierte in allem, ohne üben zu müssen.
    «Ich hoffe, du magst Pilze», sagte er, als er die Neugierde in meinem Gesicht sah.
    «Ich schätze, das werden wir herausfinden», antwortete ich und setzte mich an den Tisch. Ich sah Gabriel gern bei der Arbeit zu und war immer beeindruckt von der Geschicklichkeit und Genauigkeit seiner Bewegungen. Die Verwandlung von Engel zu Mensch war für Gabe und Ivy viel reibungsloser verlaufen – sie hielten sich von den Nichtigkeiten des Lebens fern, schienen aber gleichzeitig genau zu wissen, was sie taten. Im Königreich waren sie daran gewöhnt, sich gegenseitig wahrzunehmen, eine Fähigkeit, die sie auf unsere Mission mitgebracht hatten. Sie konnten spüren, wenn der andere angespannt oder besorgt war. Mich zu durchschauen war für sie viel schwieriger, und das beunruhigte sie.
    «Möchtest du Tee?», fragte ich, da ich mich gerne nützlich machen wollte. «Wo ist Ivy?»
    Genau in diesem Moment kam sie zur Tür herein. Sie trug eine Baumwollhose und ein ärmelloses Hemd, ihr Haar war noch feucht vom Duschen. Aber irgendetwas an ihr war anders als vorher. Sie hatte ihre Verträumtheit verloren, und in ihrem Gesicht lag eine Entschlossenheit, die ich noch nie an ihr gesehen hatte. Sie schien beschäftigt zu sein, denn gleich nachdem ich ihr Tee eingeschenkt hatte, entschuldigte sie sich und verließ uns wieder. Ich hatte sie in letzter Zeit auch öfter dabei gesehen, wie sie Seite um Seite in einem Notizbuch gefüllt hatte.
    «Ist mit Ivy alles in Ordnung?», fragte ich Gabriel, als sie gegangen war.
    «Sie möchte die Dinge ins Rollen bringen», sagte er. Ich wusste nicht, wie Ivy das tun wollte, und fragte auch nicht nach, aber ich war neidisch auf ihre Zielstrebigkeit. Wann würde sich das bei mir herausbilden? Wann würde ich das befriedigte Bewusstsein haben, etwa wirklich Lohnenswertes geschafft zu haben?
    «Wie will sie das anstellen?»
    «Du weißt, dass deiner Schwester nie die Ideen ausgehen. Ihr wird schon etwas einfallen.» Gab sich Gabriel absichtlich so geheimnisvoll? War ihm klar, wie sehr ich im Dunkeln tappte?
    «Was soll ich tun?», fragte ich. Ich hasste es, dass ich so gereizt klang.
    «Irgendwann weißt du es», sagte mein Bruder. «Hab Geduld mit dir.»
    «Und bis dahin?»
    «Hast du nicht gesagt, dass du das Teenagerleben kennenlernen willst?» Er lächelte mir ermutigend zu, und wie immer schmolz mein Unbehagen dahin.
    Ich starrte in die Schüssel mit den schwarzen Streifen, die in zäher Flüssigkeit lagen.
    «Gehört diese Rinde zum Rezept?»
    «Das sind Steinpilze, sie müssen einweichen, bevor man sie verarbeiten kann.»
    «Hmmm … Sie sehen köstlich aus», log ich.
    «Sie gelten als Delikatesse. Keine Sorge, du wirst sie mögen.»
    Ich reichte Gabriel seine Teetasse und vergnügte mich weiter damit, ihm zuzusehen. Ich hielt den Atem an, als ihm das scharfe Messer ausrutschte und ihm die Kuppe seines Zeigefingers aufschlitzte. Der Anblick von Blut schockierte mich – es erinnerte mich auf beunruhigende Weise daran, wie verletzlich unsere Körper waren. Warmes, dunkelrotes Blut war so menschlich, und es aus dem Finger meines Bruders quellen zu sehen schien so unnatürlich. Aber Gabriel hatte nicht einmal gezuckt. Er führte den blutenden Finger lediglich zum

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