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Halo

Halo

Titel: Halo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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Mund, und als er ihn wieder zurückzog, war jedes Zeichen von Verletzung verschwunden. Er wusch sich die Hände mit Seife aus dem Spender auf der Spüle und fuhr mit dem systematisch wirkenden Schnippeln fort.
    Ich nahm mir ein Stück Stangensellerie, das in den Salat sollte, und kaute gedankenverloren darauf herum. Sellerie, entschied ich, aß man vermutlich eher wegen seiner Beschaffenheit als wegen des Geschmacks, denn er hatte eigentlich keinen, war aber knackig. Warum sich das jemand freiwillig antat, konnte ich nicht nachvollziehen, außer vielleicht wegen des Nährwerts. Wenn man sich gesund ernährte, blieb der Körper gesünder, und man lebte länger. Die Menschen hatten übertrieben große Angst vor dem Tod, allerdings konnten wir vermutlich nichts anderes von ihnen erwarten, da sie so wenig über das wussten, was danach kam. Wenn ihre Zeit gekommen war, würden sie herausfinden, dass der Tod nichts war, vor dem man Angst haben musste.
    Gabriels Abendessen war wie gewohnt ein großer Erfolg. Selbst Ivy, die nicht wirklich Gefallen am Essen fand, war beeindruckt.
    «Wieder ein kulinarischer Triumph», sagte sie nach der ersten Gabel.
    «Unglaublicher Geschmack», ergänzte ich. Essen war ein weiteres Wunder, das die Erde zu bieten hatte. Ich konnte nicht genug darüber staunen, dass sich jedes Essen unterschiedlich anfühlte und unterschiedlich schmeckte – bitter, sauer, salzig, cremig, scharf, süß, pikant … manchmal hatte es sogar mehr als einen Geschmack gleichzeitig. Manches mochte ich, und bei manchem musste ich mir sofort den Mund ausspülen, aber jedes Einzelne bot eine einzigartige Erfahrung.
    Gabriel wies unser Lob bescheiden zurück, und noch einmal ging es in unserem Gespräch um die Ereignisse des Tages.
    «So, einen Tag haben wir hinter uns. Ich denke, alles in allem ist es gut gelaufen, auch wenn ich nicht erwartet hätte, so viele Musikschüler zu unterrichten.»
    «Ich glaube, du wirst feststellen, dass viele von ihnen ihre Liebe zur Musik in dem Moment entdeckt haben, als sie dich sahen», sagte Ivy lächelnd.
    «Immerhin habe ich dadurch etwas, an dem ich arbeiten kann», antwortete Gabriel. «Wenn sie die Schönheit der Musik entdecken, entdecken sie die Schönheit auch aneinander und in der Welt.»
    «Also, ich habe mich gelangweilt», erklärte ich. «Vor allem in Chemie. Ich habe entschieden, dass das nicht mein Ding ist.» Gabriel schmunzelte über meine Wortwahl.
    «Du musst herausfinden, was dein Ding ist. Versuch alles Mögliche und entscheide, was dir am besten gefällt.»
    «Ich mag Literatur», sagte ich. «Wir habe heute den Romeo-und-Julia-Film angeschaut.»
    Ich verschwieg ihnen, dass mich diese Liebesgeschichte faszinierte. Dass sich die Liebenden nach ihrer ersten Begegnung so tief und unwiderruflich ineinander verliebten, entfachte in mir eine brennende Neugierde darauf, wie sich menschliche Liebe anfühlen mochte.
    «Wie hat er dir gefallen?», fragte Ivy.
    «Die Geschichte ist sehr beeindruckend, aber die Lehrerin ist ziemlich wütend geworden, als einer der Jungs etwas über Gräfin Capulet sagte.»
    «Was hat er gesagt?»
    «Er nannte sie eine MIGF , was wohl eine Beleidigung ist, denn Miss Castle hat ihn als Unmenschen betitelt und ihn aus dem Klassenzimmer geschickt. Gabe, was bedeutet MIGF ?»
    Ivy versteckte ihr Lachen hinter einer Serviette, während mit Gabriel etwas geschah, was ich noch nie an ihm gesehen hatte: Er wurde rot und rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her.
    «Ich denke mal, es ist eine Abkürzung für irgendeine Teenager-Obszönität», murmelte er.
    «Ja, aber weißt du, was es heißt?»
    Er schwieg und versuchte, die richtigen Worte zu finden.
    «Es ist eine Bezeichnung, die erwachsene Männer verwenden um eine Frau zu beschreiben, die sowohl Mutter als auch attraktiv ist.» Er räusperte sich und stand schnell auf, um sein Wasserglas nachzufüllen.
    «Ich bin sicher, dass es eine Abkürzung ist», bohrte ich nach.
    «Ist es auch», sagte Gabriel. «Ivy, kannst du dich erinnern, wofür?»
    «Ich glaube, es steht für ‹Mütter, die ich gerne … fotografieren würde›», sagte meine Schwester.
    «Ist das alles?», rief ich aus. «Dann hat sie aber viel Wirbel um nichts gemacht. Ich glaube, Miss Castle sollte dringend mal chillen.»

[zur Inhaltsübersicht]
    5 Kleine Wunder
    Als das Abendessen beendet und der Abwasch erledigt war, dämmerte es bereits. Trotzdem nahm Gabriel ein Buch mit nach draußen auf die Veranda. Ivy putzte

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