Halo
musst verstehen, dass ich es nicht mutwillig getan habe.»
«Ich habe kein Interesse daran, mir anzuhören, was du zu sagen hast, Bethany. Du hast deinen Freund, jetzt sei zufrieden.» Er drehte mir den Rücken zu. Einen Moment später fühlte ich Ivys tröstende Hand auf meiner Schulter.
«Ich muss zum Supermarkt», sagte sie in dem Versuch, zur Normalität zurückzukehren. «Ich könnte Hilfe gebrauchen.»
Ich schaute Gabriel an. Ich wollte wissen, ob er einverstanden war.
«Geh mit, hilf Ivy», sagte er einvernehmlicher. Plötzlich schien ihm eine Idee zu kommen. «Wir werden heute zum Abendessen zu viert sein», gab er bekannt.
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16 Familienbande
Dass Xavier die Ehre haben würde, unser erster Gast beim Abendessen zu sein, machte mich misstrauisch. Ich fragte mich, welche Absicht hinter der Einladung steckte. Bis jetzt hatte Gabriel gegenüber Xavier nur Verachtung und Gleichgültigkeit gezeigt.
«Warum lädst du ihn ein?», fragte ich.
«Warum nicht?», antwortete Gabriel. «Er weiß jetzt über uns Bescheid, also sehe ich kein Problem. Außerdem gibt es einige Grundregeln, die wir klarstellen müssen.»
«Zum Beispiel?»
«Zunächst einmal die Notwendigkeit der Diskretion.»
«Du kennst Xavier nicht. Dass er etwas ausplaudert, ist genauso unwahrscheinlich, wie dass ich etwas ausplaudere», sagte ich und erkannte die Ironie, kaum dass ich den Satz beendet hatte.
«Das weckt nicht gerade Vertrauen, oder?», meinte Gabriel.
«Mach dir keine Gedanken, Bethany, wir möchten ihn nur kennenlernen», sagte Ivy und tätschelte mütterlich meinen Arm. Sie blickte Gabriel demonstrativ an. «Wir wollen, dass er sich wohlfühlt. Wenn wir ihm vertrauen, wird er uns auch vertrauen.»
«Und wenn er heute Abend schon etwas vorhat?», fragte ich abwehrend.
«Das werden wir nicht erfahren, solange du ihn nicht fragst», antwortete Gabriel.
«Ich habe nicht einmal mehr seine Nummer.»
Gabriel ging zu einem Schrank im Flur und kam mit einem dicken Telefonbuch zurück, das er kurzerhand auf den Tisch fallen ließ.
«Ich bin sicher, dass er drinsteht», sagte er finster.
Es war offensichtlich, dass sich Gabriel seine Idee nicht ausreden lassen würde, also diskutierte ich nicht weiter und stapfte davon, um Xavier anzurufen. Dabei ging ich die Treppe so laut hoch wie möglich.
Ich hatte Xavier noch nie angerufen, und eine unbekannte Stimme meldete sich.
«Hallo, hier ist Claire.»
Die Stimme klang selbstbewusst und höflich. Ich hatte heimlich gehofft, dass niemand dranging. Wenn etwas Xavier in die Flucht schlagen konnte, dann war es bestimmt ein Abend mit meiner außergewöhnlichen Familie. Ich überlegte kurz, ob ich auflegen und Gabriel sagen sollte, dass ich niemanden erreicht hatte. Aber mir war klar, dass er meine Lüge sofort merken und mich zwingen würde, noch einmal anzurufen. Oder noch schlimmer, er bestünde darauf, selber anzurufen.
«Hallo, hier ist Bethany Church», sagte ich so kleinlaut, dass ich meine eigene Stimme kaum wiedererkannte. «Könnte ich bitte Xavier sprechen?»
«Klar», antwortete das Mädchen. «Ich hole ihn schnell.» Ich hörte das Klacken, als sie den Hörer weglegte, und dann ihre Stimme, die durchs Haus brüllte. «Xavier! Telefon!» Ich machte ein raschelndes Geräusch aus und dann das Gezanke von Kindern. Schließlich hörte ich Schritte, und Xaviers verträumte Stimme klang durch den Hörer.
«Hallo, hier ist Xavier.»
«Hi, ich bin es.»
«Hallo ich.» Seine Stimme hob sich eine Nuance. «Ist alles in Ordnung?»
«Na ja, das hängt davon ab, wie man es betrachtet», antwortete ich.
«Beth, was ist passiert?» Seine Stimme war auf einmal ernst.
«Meine Familie weiß, dass du es weißt. Ich brauchte es ihnen gar nicht zu sagen.»
«Wow, das nenne ich schnell. Wie haben sie es aufgenommen?»
«Nicht gut», gab ich zu. «Aber dann hat sich Gabriel mit dem Bund besprochen und …»
«Entschuldige … dem was?»
«Das ist ein Kreis der Mächtigen – es ist zu komplex, um es jetzt zu erklären, aber sie werden hinzugezogen, wenn die Dinge, ähm, nicht wie geplant laufen.»
«Verstehe … Und was war das Ergebnis?»
«Na ja … eigentlich nichts.»
«Was meinst du mit nichts?»
«Sie haben beschlossen, dass fürs Erste alles so bleiben kann, wie es ist.»
«Was ist mit uns? Was wird geschehen?»
«Wie es aussieht, darf ich dich weiter treffen.»
«Aber das sind doch gute Neuigkeiten, oder nicht?»
«Ich glaube schon, aber ich bin
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