Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan
Küche umher und war mir beständig im Weg.
Während Emma in ihrem Essen stocherte und kaum etwas aß, fiel mir der Anruf bei ihrer Schwester wieder ein. Ich erzählte ihr, dass Sarah in den nächsten Tagen aus Italien zurückkehren würde, und versprach, es dann noch einmal zu versuchen.
Um sechs fuhren Boyd und ich nach Hause. Der Chow lief auf der Rückbank hin und her, von einem Fenster zum anderen, und blieb hin und wieder stehen, um mir über das rechte Ohr und die rechte Wange zu lecken.
Boyd war mitten in der Bewegung, als ich auf die Einfahrt zum Sea for Miles einbog. Plötzlich blieb er stehen. Ein tiefes Knurren drang aus seiner Kehle.
Mein Blick sprang zum Rückspiegel. Ein Geländewagen klebte an meiner Stoßstange.
Angst jagte mir einen Schauer über den Rücken.
»Ruhig, Junge.« Ich griff nach hinten und hakte die Finger in Boyds Halsband.
Boyd verspannte sich und bellte laut.
Ohne die Augen vom Rückspiegel zu nehmen, drückte ich auf einen Knopf an der Armlehne. Die Zentralverriegelung klickte.
Die Fahrertür des Geländewagens ging auf. Ich sah ein Logo.
Boyd bellte noch einmal.
Ich atmete erleichtert aus. »Alles okay, Boyd.«
Das war es wirklich. Ich erkannte den Mann, der da auf mich zurannte.
Zum ersten Mal sah ich eine Gefühlsregung in Gullets Gesicht.
Der Sheriff war nicht glücklich.
36
Wortlos reichte Gullet mir ein Exemplar der heutigen Post and Courier . Ich überflog die Titelseite.
Winborne hatte wieder zugeschlagen. Nur war sein Artikel diesmal nicht im Lokalteil versteckt. Cruikshank, Helms, die Durchsuchung der Ambulanz, Marshalls Verhaftung. Die Story wurde begleitet von einem Foto von Reverend Aubrey Herron, der in seiner typischen Geste die Hand flehend zum Himmel erhob. Zum Abschluss brachte Winborne das übliche prickelnde Raunen über möglich weiterführende Spuren, endgültige Opferzahlen und Gefahren für die Allgemeinheit.
Erst war ich verwirrt, doch dann destillierte sich hochprozentige Wut aus meinen Emotionen heraus.
»Der schmierige, kleine Wurm!«
Der Sheriff schaute mich mit versteinertem Gesicht an. Und plötzlich dämmerte es mir.
»Sie glauben doch nicht ernsthaft, ich hätte Winborne den Tipp gegeben?«
»Sie haben mir gesagt, Sie kennen ihn.« Gullets Miene wurde noch ein wenig finsterer.
»Sie haben mir gesagt, er ist harmlos.« Auch ich konnte finster dreinschauen.
»Ich mag es einfach nicht, wenn meine Ermittlungen an die große Glocke gehängt werden wie in einer billigen Reality-TV-Episode. Herron ist fuchsteufelswild, die Medien schärfen bereits ihre Messer, und unsere Telefone lärmen wie die Kirchenglocken am Sonntag.«
»Schauen Sie mal in Ihren eigenen Hinterhof.«
»Wollen Sie damit andeuten, dass ich in meiner Abteilung eine undichte Stelle habe?«
»Ich weiß nicht, was ich andeuten soll. Die Sache mit Cruikshanks Identifikation kam auf jeden Fall nicht von mir. Winborne interessiert sich schon seit ein paar Monaten für Cruikshanks Verschwinden.« Ich rollte die Zeitung zusammen und hielt sie Gullet hin. »Ich habe ihm nie gesagt, dass wir Cruikshanks Leiche haben.«
»Herron hat einflussreiche Freunde.«
»Natürlich hat er die. Sein bester Kumpel ist Gott.«
»Ob mit oder ohne Gott kann er jedem gewählten Amtsträger das Leben zur Hölle machen, darunter auch dem County Sheriff.«
Boyds gedämpftes Bellen mischte sich in unsere erhobenen Stimmen.
Ich ging zu meinem Auto und öffnete die Tür. Boyd schnellte heraus und sprang von Busch zu Busch, markierte und wirbelte mit den Hinterpfoten Erde auf. Dann kam er zurückgelaufen und rammte seine Schnauze in Gullets Schritt.
Ich hätte dem Hund am liebsten die Pfote geschüttelt.
Gullet kraulte Boyd hinter den Ohren.
Boyd leckte Gullet die Hand.
Verräter, dachte ich und schaute nun den Chow finster an.
»Winborne weiß über die Opfer und die Verhaftung Bescheid, hat aber offensichtlich keine Ahnung, was die Motive angeht«, sagte ich.
»Stimmt.« Gullet rollte die Zeitung noch fester zusammen und schlug sich damit auf die Handfläche. »Falls er etwas über Rodriguez und den Organhandel wüsste, hätte er das geschrieben.«
»Wie viel hätte Winborne durch das Abhören des Polizeifunks herausfinden können?«
»Schon einiges.« Gullets Blick wanderte langsam über mein Gesicht. »Aber nicht alles, was hier steht. Über Funk konnte er unmöglich erfahren haben, dass wir die Leiche am Baum als Cruikshank identifiziert hatten. Das muss er irgendwo anders
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