Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan
mir weiter im Nacken, hat ein schlechtes Gewissen wie die Seuche. Ich sag ihr, vergiss es. Das ist das Risiko des Bikers, Mann, das ist das Risiko.«
»Bleibende Schäden?«
»Mein linker Haken ist ’ne Lusche, aber wer braucht den schon. Meine Rechte ist der Killer.« Noch ein ungläubiges Kopfschütteln. »Eine Nonne.«
Ryan nickte verständnisvoll, Biker-Kameraden, die sich über die Launen des Schicksals wundern. Daniels sagte als Erster wieder etwas.
»Hören Sie, Mann, es tut mir wirklich Leid, dass diese Leute umgebracht wurden. Aber ich habe nichts damit zu tun.«
»Wir haben es ja nicht auf Sie abgesehen, Corey. Wir wollen nur Informationen sammeln. Wir wollen einfach wissen, ob Ihnen je aufgefallen ist, dass Marshall irgendwas Komisches getan oder gesagt hat.«
»Wie ich diesem Nazi-Sheriff schon gesagt habe: Marshall hatte ’ne Macke, was zwei Dinge anging: den Laden sauber halten und nur ja sein Büro nicht betreten.«
»Wozu wurde dieser große Raum oben benutzt?«
Daniel zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Außer dem Putzer hab ich da nie jemanden drin gesehen.«
»Und das kam Ihnen nicht merkwürdig vor?«
»Hören Sie. Ich bin reingegangen, hab meinen Job gemacht, bin wieder verschwunden.«
»Ist Ihnen an Marshall irgendwas Merkwürdiges aufgefallen?«
»Das haben wir doch jetzt schon so oft durchgekaut. Ich würde mit dem Kerl nicht gerade ins Bett steigen, aber als Chef war er ganz okay, klar?«
»Was ist mit Helene Flynn?«
Daniels lümmelte sich wieder hin. »Scheiße, ich weiß auch nicht. Sie war wie diese Nonne, von der ich gerade erzählt habe. Klasse. Echt nett zu den Patienten. Ich hab sie mal angemacht, Sie wissen schon, ein paar Sprüche abgelassen, aber die Tussi hat mich eiskalt abblitzen lassen. Ich hab’s nicht nötig, drum zu betteln, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Kam Helene mit Marshall zurecht?«
Daniels fuhr mit den Fingerspitzen über die Tischplatte, was ein leise quietschendes Geräusch verursachte.
»Corey?«
Daniels zuckte die Achseln. »Weiß auch nicht. Zuerst schon. Später war sie dann immer ziemlich nervös, wenn der Doc in der Nähe war. Ich dachte mir, vielleicht ist er ja auch scharf auf sie.«
»Wissen Sie, warum Sie wegging?«
»Marshall sagte, sie hat gekündigt, und dann hat er Berry eingestellt.« Daniels klopfte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß, das ist mein Motto.«
»Hat Marshall je Überstunden gemacht?«
»Manchmal ließ er Berry und mich früher nach Hause gehen.«
Eine Sekunde verging. Daniels’ Fingerspitzen erstarrten.
»Scheiße, Mann. Ich weiß, was Sie meinen.« Daniels nickte heftig, während er weiterredete. »Irgendwas stimmt da nicht. Der Kerl ist doch Arzt. Absperren war Berrys Job.«
Vom Büro des Sheriffs fuhren wir zum Krankenhaus. Pete lag in einem Einzelzimmer der Chirurgischen Abteilung. Ryan wartete unten in der Lobby, während ich nach oben ging.
Der lettische Weise war wach und gereizt. Sein Wackelpudding war grün. Die Schwester war taub. Sein Krankenhaushemd war zu kurz, sein Hintern wurde kalt. Auch wenn mir Petes Nörgelei auf die Nerven ging, war sogar diese Nervenbelastung eine Erleichterung. Mir wurde es wieder leichter ums Herz. Er war auf dem Weg der Besserung. Katy hatte endlich angerufen, und ich konnte ihr versichern, dass es ihrem Vater schon wieder hervorragend ging.
Lily rief Ryan am späten Nachmittag an. Sie war bei Freunden in Montreal und wollte ihn sehen. Ryan versprach, am Freitag wieder dort zu sein. Sein Urlaub war vorüber, er musste ab Montag wieder zur Arbeit. Wenn er zwei Tage früher losfuhr, konnte er das Wochenende mit seiner Tochter verbringen. Er grinste, als er mir davon erzählte. Ich nahm ihn in die Arme. Lange blieben wir so stehen, jeder in Gedanken an einen anderen versunken. Ein noch nicht ganz entfremdeter Ehemann. Eine neu gefundene Tochter.
Ryan und ich beschlossen, an diesem Abend auf den Putz zu hauen. Meine Arbeit in Charleston war abgeschlossen. Emmas Unbekannte waren identifiziert, und Marshall sah ziemlich harten Zeiten entgegen. Vielleicht sogar Schlimmerem. Pete erholte sich schnell. Lily hatte wieder Kontakt aufgenommen. Wir speisten Steak und Hummer im 82 Queen.
Während des Essens umkreisten Ryan und ich uns vorsichtig, hielten uns an neutrale Themen, beschränkten uns auf Vergangenheit und Gegenwart. Er fragte nicht nach der Zukunft. Ich ermutigte ihn auch nicht dazu. Ich konnte es nicht. Noch
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