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Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan

Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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dass ich dein ach so zerbrechliches männliches Ego gekränkt habe.«
    Außer Atem lehnte ich mich zurück und verschränkte die Arme. Aus den Augenwinkeln heraus sah ich, dass das Paar am Tisch rechts von uns zu uns herüberstarrte. Ich schaute sie böse an. Sie wandten sich ab.
    Ryan zündete sich eine neue Zigarette an und atmete den Rauch aus. Ich sah zu, wie er in einer Spirale zu einem Deckenventilator stieg.
    »Lily hat mir gesagt, ich soll verschwinden.«
    »Wie? Was soll das heißen? Wann?« Eine blöde Reaktion, aber Ryans Wechsel zu seiner Tochter hatte mich überrumpelt.
    »Wir bekamen Streit, kurz nachdem wir beide am Sonntag telefoniert hatten. Das Ganze fing an wegen irgendeines Blödmanns mit Gesichts-Piercing. Ich kann mich gar nicht mehr genau erinnern. Lily rannte aus dem Restaurant und schrie, ich würde ihr Leben ruinieren und ich solle nur verschwinden und nie mehr zurückkommen.«
    »Was meint Lutetia dazu?«
    »Ich solle mich eine Weile zurückziehen und Lily ein bisschen Freiraum geben.« Ryans Gesicht war eine steinerne Maske. »Den ganzen Montag und den halben Dienstag lang habe ich versucht, mit dem Mädchen zu reden. Aber sie will mich weder sehen noch mit mir telefonieren.«
    Ich beugte mich vor und legte meine Hand auf seine. »Das renkt sich bestimmt wieder ein.«
    »Ja.« Ryans Kiefermuskeln zuckten.
    »Es ist schließlich noch kaum ein Jahr her.«
    Ryan erwiderte nichts.
    »Willst du darüber reden?«
    »Nein.«
    »Ich freue mich sehr, dass du gekommen bist.«
    »Ach ja?« Ryan zeigte mir ein freudloses Lächeln. »Das war wirklich eine tolle Idee.«
    »Ich war am Mittwochabend völlig durchgeknallt. Selbstmitleid, Mitleid mit anderen, Tränen, die ganze Maschinerie. Als du ankamst, versuchte Pete eben, mich zu beruhigen. Das war alles. Sonst nichts. Tut mir wirklich Leid wegen des schlechten Timings.«
    Ryan sagte nichts. Aber er zog auch seine Hand nicht zurück.
    »Ich würde dich nie anlügen. Du kennst mich doch.«
    Ryan schwieg weiter.
    »Da war nichts, Ryan.«
    Ryan spielte mit der Aschespitze seiner Zigarette, drehte sie am Rand des Metallschälchens. Zeit verstrich. Dann brach Ryan das Schweigen.
    »Nach Lilys Abfuhr machte ich mir die schwersten Vorwürfe. Ich kam mir vor, als hätte ich völlig versagt. Die einzige Person, mit der ich zusammen sein wollte, warst du. Die Entscheidung war ganz einfach. Ich setzte mich in den Jeep und fuhr nach Süden. Und dann, nach zwanzig Stunden Fahrt, sehe ich dich im Garten und …«
    Ryan ließ den Gedanken unvollendet. Ich öffnete den Mund. Er schnitt mir das Wort ab.
    »Vielleicht habe ich am Mittwochabend überreagiert, mich von der Wut beherrschen lassen. Aber mir ist etwas bewusst geworden, Tempe. Ich kenne meine Tochter nicht. Okay. Daran bin ich selber schuld. Aber ich kenne auch dich nicht.«
    »Natürlich kennst du mich.«
    »Nicht wirklich.« Ryan nahm einen Zug, blies den Rauch wieder aus. »Ich weiß einiges über dich. Ich kenne deinen Lebenslauf. Brillante Anthropologin, eine der besten in diesem Bereich. Studium an der Illinois, Promotion an der Northwestern. Erfahrungen bei DMORT-Einsätzen, Beraterin des U.S.-Militärs, Genozidexpertin der UN. Beeindruckende Biografie, aber nichts davon lässt darauf schließen, was du denkst oder was du fühlst. Meine Tochter ist eine leere Leinwand. Du bist eine leere Leinwand.«
    Ryan zog seine Hand unter meiner heraus und griff nach seinem Bierkrug.
    »Ich habe dir sehr viel mehr von mir erzählt als nur meinen Lebenslauf«, sagte ich.
    »Stimmt.« Ryan trank den Krug halb aus. Um seinen Zorn zu besänftigen? Um seine Gedanken zu ordnen? »Mit neunzehn hast du Pete den Anwalt geheiratet. Er war ein Frauenheld. Du warst Alkoholikerin. Deine Tochter ist ein Campus-Groupie. Deine beste Freundin ist eine Immobilienmaklerin. Du hast eine Katze. Du magst Käse-Cracker. Hasst Ziegenkäse. Du trägst weder Faltenröcke noch Stilettos. Du kannst sarkastisch sein, witzig und ein Tiger im Bett.«
    »Hör auf.« Meine Wangen brannten.
    »Jetzt habe ich so ziemlich alles aufgezählt, was ich weiß.«
    »Du bist nicht fair.« Ich war körperlich und geistig zu erschöpft, um vehement zu protestieren. »Und das machst du mit Absicht.«
    Ryan legte den Unterarm auf den Tisch und beugte sich vor. In der unbewegten Luft konnte ich Männerschweiß riechen, Aftershave und einen Hauch der Zigaretten, die er geraucht hatte.
    »Wir sind seit einem Jahrzehnt Freunde, Tempe. Ich weiß, mit welcher

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