Haltlos
Eine Rolle, in der er sich erst zurecht finden musste, da ihm damals noch das taktische Geschick fehlte große Politik betreiben zu können. Dennoch war es seinem Verhandlungsgeschick zu verdanken, dass die Vampire und die Ordensbrüder im Namen der Menschheit eine Übereinkunft geschlossen haben. Die Vampire verpflichteten sich, künftig keine Novizen zu erschaffen, ohne zuvor bei dem Orden um Erlaubnis zu bitten und eine Genehmigung erhalten zu haben. Der Orden wiederum stoppte unmittelbar die Tötungen der jungen Novizen und wurde nur dann tätig, sofern Vampire Novizen erweckten, für die sie keine Genehmigung erhalten haben. Cillian musste sich persönlich dem Orden gegenüber verpflichten, niemals den Standort ihres Hauptquartieres Preis zu geben. Kein Vampir durfte jemals erfahren, von welchem Kloster aus die Ordensbrüder ihre Missionen planten und ausführten. Aber ohne einen eigenen davon zutragenden Nutzen hätte er sich nicht auf einen solchen Handel eingelassen. Im Gegenzug für seine Verschwiegenheit erhielt er eine Universalgenehmigung, sozusagen eine Blankovollmacht dafür, Vampire zu erwecken, wann und wo immer er wollte. Er plante keine Massenerweckung, aber man konnte nie wissen, wofür eine solche Vollmacht gut wäre. Besser man besaß eine Rückversicherung. Diese unbedeutende Kleinigkeit verbarg er geflissentlich vor Samira und dem gesamten Gelehrten Rat. Nach Erledigung seines Auftrages setzte er sich wieder nach Amerika ab. Wenn er genauer darüber nachdachte, mussten seit diesen Ereignissen bereits an die 250 Jahre ins Land gezogen sein. Seitdem hat sich vieles verändert und damit dachte er nicht nur an die Industrialisierung. Die Einstellung in der Vampirbevölkerung veränderte sich, man wurde gesitteter. Die Übereinkunft behielt hingegen über die Jahre immer ihre Gültigkeit. Die schweren Eichentüren öffneten sich einen Spalt breit und die Empfangsdame suggerierte Cillian ihr in den Saal zu folgen. „Benehmen Sie sich, mehr kann ich Ihnen heute nicht als Ratschlag mit auf den Weg geben. Keine Spielchen, der Rat ist in keiner guten Stimmung.“ Cillian folgte ihr quer durch den Saal auf die hinteren Türen zu. „Hat es etwas mit dem Anruf von Samira Draco zu tun?“ fragte Cillian. „Bitte, Sie wissen, dass man mir ebenso wenig von Ihren Angelegenheiten mitteilt, wie Ihren eigenen Leuten.“ Cillian verkniff es sich, diese Aussage zu kommentieren, da es für ihn immer noch undenkbar ist, seinen Angestellten zu offenbaren, dass er kein Mensch ist, sondern ein Vampir. Wie gesagt, die Gesinnung der Vampire war im Wandel. Hier, beim Rat, gab es hingegen einige menschliche Mitarbeiter, die durchaus von der Existenz der Vampire wussten. Gerechtfertigt wurde dies oft mit den ihnen überauftragen Aufgaben, die Vampire nicht erledigen konnten und die zu Fragen führen könnten, spielte man nicht von vornherein mit offenen Karten. Nun öffnete sie eine der hinteren Türen und Cillian betrat den Sitzungssaal, der an einen normalen Besprechungsraum in einem beliebigen Bürokomplex erinnerte. Cillian atmete erleichtert auf. Wäre es ein offizieller Anlass gewesen, der seine Anwesenheit vor dem Rat erforderlich machte, wäre der große Saal mit allem Tamtam benutzt worden. Doch hier, in dieser intimen Atmosphäre, es konnte nichts Schlimmes sein, oder es war so schlimm, dass niemand etwas davon mitbekommen sollte. Genauso plötzlich wie sie aufgetaucht war, war die Empfangsdame auch wieder verschwunden und schloss hinter Cillian die Tür. Der große Stuhl am Kopf des Raumes wurde zu ihm herumgedreht und Cillian sah Samira in die Augen. Er zuckte kurz zusammen, wie konnte er den Anblick dieser allwissenden durchdringenden und kalten Augen je verdrängen. Schon damals jagten genau diese ihm so eine Angst in die Knochen. Nicht zuletzt deshalb folgte er ihrem Ruf und übernahm den Auftrag in Deutschland. „Ah, ich sehe du hast mich nicht vergessen, Cillian. Und, wie ist es dir in den letzten Jahrhunderten so ergangen?“ „Samira, was möchtest Du? Du bist doch mit Sicherheit nicht nach Chicago gekommen, um dich nach meinen Wohlbefinden zu erkundigen, wobei mir das nebenbei bemerkt sehr schmeicheln würde.“ „Du hast Recht, es geht um Vorfälle, in denen der Orden verstrickt ist.“ „Haben sie die Übereinkunft gebrochen?“ „Das würden sie niemals wagen, aber-“ „Dann brauchst du mich nicht, ich habe mich aus diesem Geschäft zurückgezogen, und so soll es auch bleiben.“ „Du
Weitere Kostenlose Bücher