Haltlos
hatte, war Victoria die Unausweichlichkeit ihrer Beziehung zu Jaromir deutlich bewusst geworden. Sie gehörten einfach zusammen und das war auch richtig so – jedenfalls fühlte es sich für Victoria so an.
Abrexars eindringliche Warnung vor den goldenen Drachen ließ sie noch enger zusammenrücken als ohnehin schon.
Sie war wirklich verrückt nach Jaromir. Sie mochte sein ganzes Wesen, die Art und Weise, wie er die Welt sah und in ihr lebte. Und natürliche liebte sie es, von ihm berührt und geküsst zu werden. Und weil sie beide wegen der Gedankenverbindung genau wussten, was der andere mochte und wollte, war es unbeschreiblich, mit ihm zusammen zu sein. Es war berauschend und unglaublich intensiv, von ihm geliebt zu werden, auch wenn sie nicht miteinander schlafen konnten. Beide wünschten sich nichts sehnlicher, aber Jaromir musste sich noch immer verwandeln. Sie konnte mittlerweile spüren, wie er kurz vorher seinen inneren Halt verlor und dann von seinen Gefühlen gespült wurde. In diesen Momenten suchte er verzweifelt nach einem Anker, doch er fand nichts, an dem er sich festhalten konnte. Dann stieg meist Ärger über sich selbst und jede Menge Ungeduld in ihm auf.
Victoria musste grinsen. „Da ist er kein Deut besser als ich! Ich kann es auch nicht erwarten, endlich die Luftmagie zu verstehen und doch kann ich es durch nichts in der Welt erzwingen… Wenn ich ihm doch bloß helfen könnte…“
Es war Sonntagabend. Victoria und Jaromir saßen bei geöffnetem Fenster im Salon und aßen gemeinsam. Albert hatte ein paar mediterrane Köstlichkeiten gezaubert, die hervorragend zu dem schweren Merlot und der lauen Sommerluft passten. Die Übungen am Nachmittag waren anstrengend gewesen und jetzt hingen beide ganz entspannt ihren Gedanken nach und genossen den gemeinsamen Abend.
Gerade lächelte Jaromir sie an und meinte versonnen: „Das wäre ein herrlicher Abend zum Fliegen… Ich bin schon ganz gespannt, wie wir das hinkriegen.“
Sie lächelte ebenfalls. „Ja, das bin ich auch... Wann er wohl Lenir zu uns schicken wird?“
Jaromir zuckte mit den Schultern. „Ein paar Tage wird es bestimmt noch dauern. Er muss sich schließlich erst eine Ablösung organisieren und bei dem großen Tor in Hamburg kann das auch nicht irgendjemand sein. Dann muss er noch seine Reise vorbereiten…“
„Schade“, seufzte Victoria, „ich stelle es mir richtig schön vor, bei dem Wetter in der Luft zu sein. Aber es nützt ja nichts, ich muss mich wohl noch gedulden.“
„Bis du selbst in die Luft kannst schon… aber ich kann dir auch jetzt zeigen, wie es sich für mich anfühlt.“ Und dann schickte er ihr Bilder aus seiner Erinnerung.
Sie spürte, wie die warme Sommerluft über seine Schwingen strich und ihm Auftrieb verlieh. Er glitt sanft über die spiegelnden Wellen der Förde der Abendsonne entgegen. In seiner Erinnerung fühlte er sich frei und ganz in seinem Element. Victoria konnte die um Jaromir fließende Luft fast greifen und gab sich dem Gefühl der warmen Schwerelosigkeit vollkommen hin. Es war herrlich. Der warme Luftstrom duftete angenehm nach Seewasser und war überall um sie herum – so sanft, so weich und doch trug er den großen Körper.
Neben den Bildern aus Jaromirs Gedanken sah sie auch noch den Salon um sich herum. Eine leichte Brise bauschte die weißen Vorhänge zart auf und ließ sie sanft ins Zimmer wehen.
Mit einem Mal schien die Zeit langsamer zu vergehen – fast als wollte sie ganz still stehen.
Und plötzlich verstand Victoria.
Es fiel ihr wirklich wie Schuppen von den Augen. Jaromirs Flug über der Förde war vergessen.
Sie dachte nicht bewusst nach, sondern sammelte Magie aus der Umgebung, fing eine kleine Menge Luft ein und bewegte sie sanft unter ihre Servierte, die daraufhin ein paar Zentimeter über den Tisch flatterte.
„Das ist ja so einfach!“ , dachte sie fassungslos.
Begeistert versuchte sie es gleich noch einmal. Diesmal wehte die Servierte bis zu ihrem Wasserglas und blieb daran hängen.
Sie lächelte überrascht aber dann kam ihr noch eine Idee: „Was mit Luft geht, muss doch eigentlich auch mit Wasser klappen…“
Und schon sammelte sie wieder Energie und versuchte eine kleine Menge Wasser in ihrem Glas zu einer Kugel zu formen und an die Oberfläche steigen zu lassen. Sie sah mit großen Augen, wie auch das klappte: Eine kleine Halbkugel schwamm auf der Oberfläche des Glases. Die kleinen Kohlensäureperlen, die permanent nach oben stiegen, zeigten
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