Halva, meine Sueße
dunkelhaarigen Mädchens. Hier
war er frei und wollte doch nur eins, nämlich diese Freiheit
mit ihr teilen.
»Wie heißt sie?«
»Halva.«
»Halva? Komischer Name. Woher kommt sie?«
»Aus dem Iran.«
»Wie Mudi also?«
Das Gespräch wurde Kai zu gefährlich. Er war froh, dass
der Lift oben ankam. Selina konnte sich leicht Mudi gegenüber
verquatschen und dann war die ganze Übung hier
umsonst gewesen.
Er sagte nur kurz: »Ja, wie Mudi«, als er den Bügel hochklappte
und Selina half, von der Fahrspur auf den Anfang
der Piste zu fahren.
Mudi wartete schon auf ihn. Es war das erste Mal, dass er
sich auf den Gipfel traute.
»Ihr versteht euch wieder gut, oder?«, fragte er und machte
eine Kopfbewegung hin zu Selina.
»Ja«, sagte Kai schlicht. Entschuldige Selina, dachte er
gleichzeitig.
»Mudi, kommst du endlich?«, rief Kai, der zur Abfahrt bereit
war. Die Autos waren gepackt, die Hütte, in der sie gewohnt
hatten, leidlich sauber, und alle anderen saßen bereits auf die
Wagen verteilt. Nur Mudi stand noch da und hielt sich mit
nervösem Gesichtsausdruck sein Handy ans Ohr.
»Sorry«, flüsterte er. »Ich habe versprochen, heute Morgen
in der Kanzlei von Anwalt Bremer anzurufen. Es geht
um das Praktikum im März. Sie wollten mir gleich im neuen
Jahr eine Antwort geben. Das ist doch jetzt, oder?«
»Das kann man wohl sagen«, knurrte Kai. »Es ist gerade
mal der zweite Januar, Mudi. Die Telefonistin schläft wahrscheinlich
noch immer ihren Rausch von Silvester aus.«
»Besser, wenn ich gleich Bescheid weiß«, beharrte Mudi
und Kai lehnte sich seufzend auf seine offene Wagentür.
Mudi hatte wirklich die Beharrlichkeit einer Bulldogge. Leider.
Denn er hielt sich an sein Versprechen – oder seine Drohung
– und holte Halva jeden Tag von der Schule ab.
Kai sah noch einmal zu Mudi und nutzte dann die Gelegenheit,
um diskret sein eigenes Handy zu kontrollieren.
Er hatte an Halva getextet, dass er bald auf dem Weg nach Augsburg sein würde. Es war Sonntagnachmittag und sein
Herz machte einen kleinen Sprung, wenn er an sie dachte.
Sonntag war vor Montag. Montag war morgen. Morgen
würde er Halva wiedersehen. Wartete sie auf ihn so wie er
auf sie?
Mudis Stimme riss Kai aus seinen Gedanken: »Ach. Das
ist ja schade. Ja, da kann man nichts machen. Sicher. Ich bewerbe
mich im kommenden Semester noch einmal. Danke
und frohes neues Jahr.«
Mudi war blass vor Enttäuschung, als er das Gespräch beendet
hatte. »Sie haben das Praktikum in diesem Semester
gestrichen. Sagen sie.«
»Hm. Glaubst du ihnen nicht?«
Mudi schüttelte den Kopf. »Nein. Da hatte jemand wahrscheinlich
einfach bessere Beziehungen als ich.« Er wischte
sich rasch über die Augen. »Lass uns fahren. Je eher ich mich
um ein neues Praktikum kümmern kann, desto besser.«
Beide stiegen ein und schnallten sich an.
Nach einer Weile, als sie fast die Autobahn erreicht hatten
und der Verkehr um sie floss, sagte Kai: »Wenn du willst,
kann mein Vater mal bei Bremer anrufen. Sie spielen ja zusammen
Golf. Das hilft vielleicht.«
»Würdest du das tun? Ich meine, nach all dem Zeug um
Halva …«
»So viel war es doch gar nicht«, zwang Kai sich zu sagen.
»Das war nur ein Flirt. Und es hat eben nicht gepasst. Es gibt
ja noch so viele andere Fische im Meer.«
»Ich habe dich viel mit Selina reden sehen …?«, fragte
Mudi.
»Hm. Ja. Mal sehen, was passiert. Ich bin für alles offen.«
»Es ist besser so. So bleiben wir Freunde und Halva kann
ihren Weg gehen. Ich hätte es nicht ertragen, zwischen dir
und ihr wählen zu müssen.«
Kai erwiderte darauf nichts,
konnte
nichts erwidern, denn
es schnürte ihm die Stimme ab. Ja, ihren Weg ins Unglück
und Verderben, dachte er. Kurz wollte der Zorn in ihm überhandnehmen,
dann aber riss er sich zusammen. Für Halva
und ihn war diese Diplomatie derzeit notwendig. Mehr als
das: lebenswichtig. Aber wie lange er sie noch durchhalten
konnte, wusste er nicht.
»Ich bitte meinen Vater heute Abend darum, okay?«, sagte
er nur.
»Danke«, lächelte Mudi und auf seinen Wangen formten
sich dieselben Grübchen wie auf Halvas.
Zwei Stunden nach seiner Ankunft in Westheim piepste
Kais Handy zweimal.
1 neue Nachricht Mudi,
sagte die Anzeige ihm. Er drückte
erwartungsvoll auf die grüne Taste und las:
Die Kanzlei Bremer
hat gerade angerufen, um mein Praktikum zu bestätigen! Danke!!!
Kai biss sich auf die Lippen und überlegte, was er antworten
sollte, als das Handy schon wieder piepste:
Wollt dein Vater und
Weitere Kostenlose Bücher