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Halva, meine Sueße

Halva, meine Sueße

Titel: Halva, meine Sueße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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unwillkürlich an Mudi denken und biss
die Zähne zusammen.
    »Was denn, keinen Fisch und Salat?«, fragte Kai überrascht.
Auf dem Tisch stand eine Gans mit Klößen und Blaukraut.
    »Nein. Immer mal was Neues. Auch zu Weihnachten«,
sagte sein Vater vor Stolz strahlend. »Habe ich selber gebraten!
«
    »Wann hast du denn das vorbereitet?«
    »Na, du hast ja den ganzen Nachmittag in deinem Zimmer
Saxofon gespielt und wer weiß was gemacht. Da hatte
ich ja Zeit genug.«
    »Sorry«, sagte Kai. Wenn er Weihnachten einsam fand,
dann war das vielleicht auch seine Schuld. Stimmt. Er hatte
Saxofon in sein Handy gespielt. Erst live für Halva, und als sie auflegen musste, hatte er einen kleinen Clip nach dem
anderen aufgenommen und ihr geschickt. Wenn sie sich
schon nicht sehen konnten, sollte sie in den Winterferien
wenigstens nicht ohne seine Musik sein.
    Nach dem Essen schürte Uli Blessing den Kamin an und
schaltete dann den Fernseher an. Es lief eine Live-Übertragung
des Weihnachtskonzerts aus der Berliner Philharmonie.
Die Haare des Dirigenten standen so in die Luft, als
hätte er in die Steckdose gegriffen.
    »Das stört dich doch nicht, oder?«, fragte er Kai.
    »Nein, nein. Musik stört mich nie. Außerdem gehe ich
noch aus.«
    »Wohin denn?« Sein Vater stellte das Konzert bereits
etwas lauter und streckte die Füße dem Feuer entgegen.
    »Wie immer Heiligabend, Papa. Erst ins
Café Max
und
dann in die
Wunderbar.«
    »Viel Spaß. Fahr vorsichtig. Es ist sicher Glatteis.« Uli
Blessings Augen füllten sich mit Tränen, und er stand auf,
um sich ein Glas mit Cognac zu füllen.
    »Mach ich, Papa«, seufzte Kai. Als ob gerade er das vergessen
konnte!
    An diesem Abend gab es ihm zum ersten Mal wirklich ein
Gefühl von Freiheit, in seinem Auto zu sitzen. Er gab Gas
und schoss in einer Laune von russischem Roulette in die
dunkle Heilige Nacht.
    Was sollte es. Halva würde er heute sowieso nicht treffen.
    In diesem Augenblick kam eine SMS für ihn rein.
1 neue
Nachricht Halva
sagte sein iPhone.
    Life goes on for Kai and Halva. Frohe Weihnachten. Ich liebe
dich. H
    Kai wurde warm in seinem Inneren. Und er bremste etwas
ab. Wenn nur schon Montag in zwei Wochen wäre!
    Kai hatte vergessen, wie gut das Skifahren ihm tat. Der Himmel
über Bad Gastein war von einem tiefen dichten Blau.
Der Schnee lag meterhoch auf den Pisten und die Luft hing
wie ein glitzernder Schleier vor den Gipfeln. Kai fuhr wie im
Rausch. Die ersten Meter glitt er langsam und ließ seinen
Stock das Terrain erforschen, ehe er den ersten Schwung
setzte. Es war wie ein Tanz, für den er niemand anderen
brauchte und den er gerade darum so genoss.
    »Ich fahre Tiefschnee. Kommst du mit?« Selina kam in
einer schimmernden Wolke aus Pulverschnee neben ihm
zum Stehen. Bevor er antworten konnte, rief sie: »Fang mich,
wenn du kannst!«
    Ohne groß zu überlegen, schoss Kai ihr hinterher, den ungespurten
Abhang zwischen den Bäumen hindurch. Es erforderte
seine ganze Konzentration und vor seinem inneren
Auge verschwand Selina. Er schwebte durch Raum und Zeit.
Er kam wieder zum Atmen. Es war eine Pause von der steten
Bedrohung, Halva zu verlieren.
    Kai hielt an. Selina sauste weiter und er blickte ihr nach.
Um ihn herum war alles still. Nur sein eigener Atem stieg
und fiel in seinen Ohren. Im Schnee sah er nun Spuren von
anderem Leben: Hasen und Rehwild. Auf jedem noch so
dünnen Zweig lag Schnee. Diese Sorgfalt der Natur beeindruckte
ihn.
    Er lauschte weiter auf seinen eigenen Atem. Mann, er
hatte ganz vergessen, wie anstrengend Skifahren sein konnte.
Und wie gut ihm die Anstrengung tat. Augsburg und die letzten Wochen hatten ihn mitgenommen. Auch wenn er
für sich bereits die Lösung gefunden hatte. Niemand würde
sein Mädchen ans andere Ende der Welt schicken und mit
irgendeinem Mann, den sie nicht kannte, verheiraten. Niemand.
    Halva wusste nicht, dass er sich beim Standesamt informiert
hatte. Sein Ehefähigkeitszeugnis war bestellt. Kai sah
nach oben zu dem Stück Himmel über seinem Kopf. Hier
draußen schien ihm der geheime, verbissene Kampf, den sie
führten, so unwirklich. Halvas Kampf gegen alle Werte, mit
denen sie aufgewachsen war – den Gehorsam und den Respekt
gegenüber ihrer Familie und ihren Entscheidungen.
    Konnte er ihr ein Leben lang helfen?
    Ein Leben: Das war ganz schön lang.
    Nicht lang genug.
    Kam Zeit, kam Rat. Das war das Einzige, an dem sie beide
festhalten konnten. Aber hatten sie die Zeit?
    Er stieß sich wieder ab, wedelte zwischen

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