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Halva, meine Sueße

Halva, meine Sueße

Titel: Halva, meine Sueße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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Mutter
No-Rooz.«
    »Hatte er dich eingeladen?«
    »Nein. Das wollte ich auch nicht. Ich lasse die Dinge langsam
angehen«, sagte Miryam und zupfte am Saum ihrer langen
Ärmel, wie um sicherzustellen, dass sie die Narben an
ihren Handgelenken auch wirklich verdeckten.
    Halva wollte ins Bad, als sie ihre Eltern im Schlafzimmer
leise reden hörte. Miryam hatte recht. Es war ein Wunder
gewesen, dass sie Mudis Idee, die Blessings einzuladen, akzeptiert
hatten.
    »Meinst du, wir tun das Richtige? Immerhin wollte sich
Halva mal mit ihm treffen. Wer weiß, ob es wirklich so vorbei
ist, wie sie sagt …«, hörte sie Baba leise sagen. »Kannst
du mir die Manschettenknöpfe schließen?«
    Einen Augenblick lang herrschte Schweigen, ehe Raya ihm
antwortete: »Doch, wir tun das Richtige. Ich habe gesehen,
dass Halva Sharim auf seine E-Mail geantwortet hat. Hoffentlich
bricht das Internet im Iran nicht zu oft zusammen,
sodass sie sich etwas kennenlernen können. Außerdem …«
    »Außerdem?«
    »Außerdem muss Halva den Herzschmerz eben überwinden. Wir haben die Blessings wegen Mudi eingeladen. Bremer
ist der beste Anwalt der Stadt. Wie fantastisch, dass
Mudi bei ihm lernen kann. Da schiebe ich gerne alle anderen
Bedenken beiseite.«
    Mudi! Immer Mudi! Halva schluckte trocken. Wann
hatte das angefangen? Oder: Wann war das so extrem geworden?
Wenn es um Mudi ging, war ihren Eltern irgendwie,
irgendwann alles andere egal geworden. Auch ihre Gefühle.
Oder: Vor allen Dingen
ihre
Gefühle! Wenn ihr wüsstet,
dachte Halva. Ihr plötzlicher Zorn erschreckte sie. Sie fühlte
Schwindel und stützte sich kurz gegen die Wand neben der
Badezimmertür. Halva wollte nichts mehr hören, sich keine
Sorgen mehr machen müssen. In ihr mischten sich die widersprüchlichsten
Gefühle zu einem Wirbelsturm, in dessen
Auge sie keine Ruhe fand. Sie war mittendrin und wurde in
tausend Stücke zerrissen, in alle Winde verweht. Halva lehnte
die Stirn gegen die kühlen Kacheln und schloss die Augen.
Ihr Herz raste. Dann versuchte sie, sich zu fassen.
    Wird schon schiefgehen, sagte Hannah immer. Halva hörte
das Blut in ihren Ohren rauschen.
Wird schon schiefgehen.
    Gott sei Dank war Miryam da, um ihr den Rücken zu
stärken. Und Kai. In einer halben Stunde war er da, einfach
so, bei ihr zu Hause. Sie atmete noch einmal tief durch.
Miryam hatte recht: Sie durfte nicht vergessen, weshalb er
kam. Sie durfte sie beide nicht verraten. Schaffte sie das?
Aus dem Spiegel sah ihr eine entschlossene Halva entgegen,
deren Augen hell in ihrem blassen Gesicht leuchteten. Halva
drehte den Wasserhahn auf und ließ sich kaltes Wasser über
die Handgelenke laufen.
    Es half nichts. Sie glühte.
    Als sie in ihr Zimmer kam, lag auf dem Bett das Kleid, das
Raya ihr für
No-Rooz
gekauft hatte: zwei Lagen schwarzer
Stoff, von denen die untere eng anliegend war, während darüber
ein leichter Schleier aus Seidenchiffon fiel. Man sah
und man sah doch nichts.
    Sehr iranisch, dachte Halva, als sie hineinschlüpfte und
sich vor dem Spiegel um die eigene Achse drehte. Sie machte
einige Tanzschritte, ehe sie reglos stehen blieb und sich
beinahe erschrocken betrachtete.
    Im Geschäft hatte das Kleid ungemein elegant und verführerisch
ausgesehen. Im Dämmerlicht ihres Zimmers
aber wirkte es plötzlich ganz anders. Sie dachte an Mamiis
schwarzen Mantel und an die vielen Frauen in Tschadors,
den langen schwarzen Umhängen, die sie vom Scheitel bis
zur Sohle verhüllten. Bei einigen waren nur noch die Augenpartien
durch schmale Stoffschlitze zu erkennen. Kein
Zentimeter Haut war zu sehen. Schwarze Schatten auf den
Straßen von Teheran. Halva schauderte.
    War das Kleid ein schlechtes Omen? In einem Anfall von
Panik wollte sie in ihr Lieblingsoutfit, die enge Jeans und
eine weiße Bluse, schlüpfen. Doch dann hielt sie in der Bewegung
inne. Was bildete sie sich denn für Spukgeschichten
ein? Der feine Seidenchiffon fiel glatt bis auf ihre Knie. Unsinn.
Es war ein supersüßes kleines Schwarzes, sonst nichts.
Sie wählte dunkle Seidenstrümpfe und als Gegenstück dazu
knallblaue Schuhe mit hohem Absatz aus. Es waren Manolo
Blahniks aus den 90er-Jahren, die sie bei einer Auktion
auf eBay ergattert hatte. Jetzt fehlte nur noch der Schmuck.
Ihre Finger zitterten nicht mehr, als sie sich die silbernen
Kreolen, die Baba ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, in die Ohren steckte. Allah war groß. Und er hatte ein Herz
für Liebende.
    Sie schloss gerade ihre Zimmertür, als es an der

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