Halva, meine Sueße
du zu einem iranischen Neujahrsfest kommen?
Bei euch zu Hause? Aber Neujahr ist doch schon vorbei …
Aber noch nicht im Iran. Ja, bei uns zu Hause. Wenn es dich
nicht stört, dass Halva auch hier ist?
Kais Herzschlag setzte einen Augenblick lang aus. Nein,
dachte er dann und lächelte. Nein, es
störte
ihn nicht, dass
Halva dort war. Sie würden einander sehen. Unter den Augen
ihrer beiden Familien! Er atmete tief durch.
Gerne,
textete er zurück.
Wann sollen wir kommen?
Das iranische Neujahrsfest ist erst im März. Am Tag der Sonnenwende,
so um den 21.
Und da lädst du jetzt schon ein?
Das macht man so. Und du kennst ja meine Mutter. Sie will alles
so bald wie möglich wissen. No-Rooz ist ein echtes Fest.
Aha. Muss noch meinen Vater fragen. Aber ich denke, wir kommen
gerne.
Kai ballte die Fäuste. Endlich. Endlich ging es weiter. Sie
konnten in aller Öffentlichkeit zusammen sein. Ihre Familie
sah, was für ein Wahnsinn diese arrangierte Ehe war. Sein
Vater erkannte, dass Kai mit Halva glücklich werden konnte.
Hatte er es doch gewusst. Ihr Plan, stillzuhalten und
die Wogen zu glätten, ging auf. Dann aber bremste er sich.
Er war nicht als Freund der Tochter eingeladen. Niemand
dachte, dass sie noch zusammen waren. Das durfte er nicht
vergessen, sonst verrieten sie sich. Er hatte einen bitteren
Geschmack im Mund. Wie lange hielt er das noch durch?
Wann konnten sie endlich
wirklich
zusammen sein?
Er trat ans Fenster. Das Licht war fahl. Kai ballte die
Fäuste. Weswegen auch immer sein Vater und er eingeladen
waren, es war gut, seinen Gegner besser einschätzen zu können.
Vor allen Dingen, wenn die Gegner der Vater und der
Bruder seiner Freundin waren.
»Mach nicht so eine Leichenbittermiene«, sagte Kai zu seinem
Vater, als der in seinen Mantel schlüpfte. »Ist doch was
Besonderes, zu einem persischen Neujahr eingeladen zu werden.
Außerdem tut es dir mal ganz gut, aus deiner ewigen
Golfklubgesellschaft herauszukommen.«
»Meinst du?«
»Meine ich. Soll ich die Blumen nehmen?«
»Okay.« Kais Vater gab ihm den Strauß gelber Rosen, der
auf der Kommode im Eingang lag. »Soll ich fahren?«
»Ja«, sagte Kai, ohne zu zögern.
»Willst du heute Abend was trinken oder weshalb fällt dir
diese Entscheidung so leicht?«
»Ich fahre immer noch nicht so gerne. Deshalb.«
Kais Vater klopfte ihm kurz auf die Schulter. »Sorry. Das
verstehe ich. Wird denn dieses Mädchen heute Abend auch
da sein?«
»Wen meinst du denn?« Kai versuchte, eine teilnahmslose Miene aufzusetzen.
Dieses Mädchen.
Allein der Ausdruck
machte ihn schon wieder zornig, aber er riss sich zusammen.
»Na, die, die du vor ein paar Monaten zum Tee dahattest.
Als du halbnackt in das Eisloch gesprungen bist.« Bei der
Erinnerung musste Kais Vater schmunzeln.
»Ach, du meinst Halva. Ja, sie wird wohl auch da sein. Sie
ist ja Mudis Schwester.«
»Seht ihr euch noch? Nur damit ich weiß, woran ich bin,
und nicht ins Fettnäpfchen trete.«
Kai zögerte mit seiner Antwort. Er wollte seinen Vater
nicht belügen. Andererseits mussten Halva und er einheitlich
handeln, sonst hatten sie überhaupt keine Chance mehr, sich
zu sehen. Also schüttelte er den Kopf. »Nein. Nicht mehr.«
»Hm. Ist wahrscheinlich auch besser so. Aber es macht dir
doch nichts aus, wenn du sie siehst?«
»Was? Nein. Quatsch.«
»Gut. Ich will nicht, dass du traurig bist. Jetzt komm.«
Kai folgte seinem Vater hinaus in die Einfahrt. Es war
um sieben Uhr abends noch hell, die letzten Vögel zwitscherten
und die Luft war zwar kühl, aber nicht mehr kalt.
Wie schön der Frühling war. Vielleicht war es viel logischer,
Neujahr jetzt zu feiern, dachte Kai, als er sich in den Porsche
zwängte.
»Wie seh ich aus?« Miryam stand in der Tür zwischen
Wohnzimmer und Flur und drehte sich einmal um die eigene
Achse.
Halva sah auf. »Fantastisch«, sagte sie ehrlich, denn Miryam
trug das tiefrote Wickelkleid, das Raya ihr zum Neujahrsfest
gekauft hatte. Die Gäste kamen in weniger als einer Stunde. Die Gäste! Halvas Finger zitterten, als sie letzten
Schliff an den Neujahrstisch legte, den
Haft
Seen.
»Alles riecht so gut«, sagte Miryam. »Auch wenn es viel
Arbeit ist: Ich mag den
Kaane Tekani.«
»Ja, stimmt«, sagte Halva. »Neujahr ist die beste Entschuldigung
für einen solchen Frühjahrsputz.«
Miryam kam auf Strümpfen wieder ins Wohnzimmer, wo
sie ihre Kleider noch immer in einem Koffer hinter dem Sofa
verstaut hatte. Irgendwie hatten sich alle an die Enge
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