Hamam - Kolats Zaubertrank
anschließend auch noch was erzählen?“
„Vielleicht, wenn du’s so lange aushältst. Aber da kommt die Bedienung. Lass uns erst mal was bestellen. Dann können wir ja weiter plaudern.“
„Guten Abend, möchten Sie schon etwas zu trinken bestellen?“, grüßte die mit einem knielangen schwarzen Rock und weißer Bluse gekleidete Kellnerin, und stellte mit zuvorkommendem Lächeln eine Schale mit gesalzenen Pistazien und zwei eiskalte, kristallisierte Ousos vor ihnen ab. Die cirka 20 Jahre alte Frau war unverkennbar sexy, unverkennbar eine Griechin und unverkennbar die Tochter des Wirtes, der scherzend und gut gelaunt hinter der Theke zugange war.
„Kalispera“, antwortete Claude, der es sich nicht nehmen lassen wollte, seine bescheidenen Griechisch-Kenntnisse, die er sich vor ein paar Jahren auf Kreta angeeignet hatte, an die Frau zu bringen. „Ich hätte gerne einen Retsina. Wenn’s geht, in so einem Aluminiumkrug - und mit einem ganz normalen Senfglas, so wie es sie auf Kreta immer gibt.“
„Klar, das geht. Sie sind nicht der einzige Gast, der solch nostalgische Urlaubswünsche äußert. Und die Dame?“
„Ich weiß noch nicht, was ich trinke. Ich will erst mal sehen, was ich esse“, entgegnete Liz, während die Bedienung die als stilisierte Weintraubenblätter gestaltete Speisenkarte vor ihnen ausbreitete.
Claude und Liz waren Arbeitskollegen. Sie arbeiteten gemeinsam in einem Heim für Kinder und Jugendliche mit Verhaltensauffälligkeiten. Liz war als Psychologin beschäftigt, machte vorwiegend Teamberatung sowie Einzel- und Gruppenarbeit mit den Heranwachsenden. Darüber hinaus hielt sie den Kontakt zu den Ursprungsfamilien, wo immer dies möglich und sinnvoll war und führte Beratungsgespräche mit den Eltern durch. Sie war seit fünf Jahren in diesem Job tätig und machte ihre Arbeit mit Leib und Seele. Sie war athletisch gebaut, durchtrainiert und strotzte vor Selbstbewusstsein. Mit ihrer rot gelockten Löwenmähne, den katzenhaften grau-grünen Augen und ihren vollen, sinnlichen Lippen war sie eine durch und durch sexuelle Frau. Um diesbezügliche Konflikte erst gar nicht aufkommen zu lassen, kleidete sie sich auf ihrer Arbeitsstelle meist sehr burschikos, trug die Haare streng nach hinten gekämmt zu einem Pferdeschwanz gebunden und verzichtete auf jegliches Make-up. Nicht so an diesem Abend, als sie Claude in einem kurzen schwarzen Minirock und schwarzen halterlosen Strümpfen mit breitem Spitzenabschluss an den Oberschenkeln, gegenüber saß. Ihre tief ausgeschnittene, türkisfarbene Bluse gewährte einen freizügigen Einblick in ihr Dekolleté und auf ihre festen, von einem Push-up nach oben gewölbten Brüste. Mit ihrem diskreten Make-up, das ihrer hellen Haut einen porzellanartigen Schimmer verlieh und lediglich das Rot ihrer vollen Lippen betonte, strahlte sie eine Sinnlichkeit aus, wie man sie ihr auf ihrer Arbeitsstelle niemals zugetraut hätte.
Claude war erst seit eineinhalb Jahren in dem Heim. Er war von drahtiger Statur, trug seine dunkelbraun gelockten, wuseligen Haare halblang und saß Liz in einer knackigen schwarzen Lederhose und einem weißen, weit geschnittenen Leinenhemd gegenüber. Er hatte in Freiburg Pädagogik studiert und seine Diplom-Arbeit über Abenteuer-Pädagogik bei erziehungsschwierigen Kindern geschrieben. Dabei knüpfte er erste Kontakte mit seinem späteren Arbeitgeber, der ihm gleich nach seinem Studium einen Job im Erziehungsdienst anbot; spätere Aufstiegsmöglichkeiten inclusive. Aber auf Karriere legte er vorerst noch gar keinen Wert. Claude wollte an vorderster Front kämpfen und mit seinen Schützlingen den Alltag erleben. Da er sehr sportlich und naturverbunden war, verbrachte er die Zeit mit den Kindern so oft es ging im Freien, spielte Fußball, ging zum Schwimmen, bot Kletterkurse an und führte in den Ferien Kanufreizeiten durch. Die Teilnahme an einem solchen Event, bei dem die Gruppen, nur mit dem Allernotwendigsten ausgestattet, auf wildromantischen Flüssen dahin paddelten und abends in der Wildnis ihre Zelte aufbauten, galt als absolutes Highlight. Da Claude solche Freizeiten nicht alleine durchführen konnte und er außerdem seinen Arbeitgeber von der Nützlichkeit solcher Unternehmungen überzeugen musste, bot er an einem verlängerten Wochenende einen Einführungskurs ins Kanufahren für interessierte Mitarbeiter der Einrichtung an. Ein Freund von ihm, der sich auf organisierte Kanutouren spezialisiert hatte, stellte ihm fünf
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