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Hamburg - Dänemark

Hamburg - Dänemark

Titel: Hamburg - Dänemark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sissi Kaipurgay
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stand am Fenster und starrte den Nachbarn an. Im Wohnzimmer fühlte ich mich wie das fünfte Rad am Wagen, auch wenn ich das elfte war, aber alle anderen hatten einen Partner dabei, nur ich nicht. Irgendwie hatte ich keine Lust wieder zurückzugehen und mich an der Unterhaltung zu beteiligen. Ich bereute zum zigsten Mal, Sandros Einladung angenommen zu haben, aber er hatte gemeint, ich müsse mal raus aus dem Alltagstrott.
    Damit hatte er natürlich Recht. Das Studium und der Nebenjob bei einem Pizzalieferanten fraßen mich richtiggehend auf. Vielleicht sollte ich mal locker lassen, ein Urlaubssemester einlegen. Auch mein Professor Oliver Medler, den ich sehr verehrte, hatte mir bescheinigt, dass ich ausgebrannt wirkte. Doch wenn ich ein Semester aussetzte war nicht sicher, ob ich wieder in seinen Kursen landen würde und auf keinen Fall wollte ich den Prof. verlieren.
     
    Mein Name ist Angus, ich war gerade siebenundzwanzig geworden und hatte es manchmal schwerer als andere mit meiner hellbraunen Haut. Auch wenn es sich keiner der Kommilitonen anmerken ließ, war ich doch ein Migrant, der nach ihrer Meinung in einem Germanistik-Studiengang nichts zu suchen hatte. Dafür war ich eben nicht weiß genug. Ich arbeitete daher doppelt so schwer, um es den Leuten zu beweisen, doch vielleicht sollte ich lieber an meinem Selbstbewusstsein arbeiten.
     
    Der Typ gegenüber stand noch immer in der Küche, hatte sich jetzt aber abgewandt. Ich sah, wie er sich unschlüssig über den Nacken rieb. Er schien ziemlich groß und breit zu sein. Neugierig musterte ich sein Profil mit der geraden Nase. Der Kerl sah gut aus mit den blonden Haaren, die er zu einem Zopf zusammengebunden hatte. Sicher ein Yuppie, denn die trugen meines Erachtens solche Frisuren. Ich musste grinsen, als mir bewusst wurde, dass ich gerade einen Mann nach dem Äußeren beurteilt hatte. Gerade das war mir eigentlich so zuwider, geschah es bei mir doch viel zu oft.
    „He, Angus.“ Frank kam in die Küche und legte einen Arm um meine Schultern.
    Ich mochte ihn, kannte ihn auch schon ewig, daher gefiel mir diese Geste. Unwillkürlich lehnte ich mich kurz an ihn. Wenn er nicht schon mit Nathan liiert wäre und schrecklich glücklich, hätte ich versucht bei ihm zu landen.
    „Komm doch wieder ins Wohnzimmer. Wir spielen gleich Flaschendrehen.“
    Sollte ich erwähnen, dass Frank eine rechte Frohnatur war? Diese Kinderspiele fand er toll, sie wurden jedes Mal gespielt, wenn er nach Dänemark fuhr. Mir war aber nicht nach dem albernen Kram wie Kopfstand, küssen und anderem Unsinn. Am liebsten wäre ich allein gewesen, was Frank wohl kaum zulassen würde.
    „Nö, ich glaub, ich geh mal rüber zum Nachbarn. Der ist ganz allein.“ Die Ausrede fiel mir ganz spontan ein, während ich den Typ gegenüber in der Küche beobachtete. Immer noch stand er herum und schien zu überlegen. Dann sah er zu mir rüber und es wirkte, als würde er zusammenzucken, als er mich entdeckte.
    „Tja, der sieht geil aus. Na dann.“ Frank klopfte mir auf die Schulter und verließ grinsend den Raum.
    Ich blieb zurück und schaute immer noch auf das Fenster gegenüber, aber der Mann war weg. Nun war ich im Zugzwang, wenn ich mich nicht Franks Spott aussetzen wollte. Seufzend griff ich nach der nächstbesten Flasche Rotwein, die ich finden konnte, und machte mich auf den Weg zum schönen Nachbarn.
     
    Chris
     
    Das Gefühl der Einsamkeit hatte sich noch verstärkt, nachdem ich gesehen hatte, wie dieser andere Kerl einen Arm um den Mulatten gelegt hatte. Verdammt. Ich hatte mich doch auf das Alleinsein gefreut und wollte endlich ausspannen. Verärgert ging ich ins Wohnzimmer und plumpste auf den Stuhl vor dem Notebook. Mit einem Klick hatte ich mein letztes Buch geöffnet und starrte auf den Text, aber er verschwamm vor meinen Augen.
    Schreibblockade? Bisher hatte ich davon gehört, aber mich hatte sie noch nie ereilt. Jetzt war es wohl soweit. Ich stöhnte entsetzt auf. Sollte es mich ausgerechnet dann treffen, wenn ich es am wenigsten gebrauchen konnte? Entnervt zerwühlte ich mein Haar, eine dumme Angewohnheit. Der Pferdeschwanz löste sich und die Mähne hing mir wild ums Gesicht. Das war mir egal, ich fühlte mich verzweifelt, dann durfte ich auch so aussehen. Gerade überlegte ich, ob ich die mitgebrachten Alkoholvorräte angreifen sollte, als es an der Tür klopfte. Ich zuckte zusammen.
    Wer besuchte mich hier? Der Vermieter? Oder der Kerl von drüben? Ich sprang auf und strich mir

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